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Der Herr der Welt

Der Herr der Welt

Titel: Der Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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zurückblickten, sahen sie die untoten Kinder in einiger Entfernung grinsend näherkommen.
    Nona und Kierszan sprangen von der Fensterbank hinab ins Innere des Hauses.
    »Sieht aus wie eine Arztpraxis«, sagte Nona.
    Aber bevor sie sich noch weitere Gedanken machen konnte, über-flutete sie das Haus mit seinen Erinnerungen. Es verschlang Nona und Kierszan, ohne daß sie die Spur einer Chance hatten, sich dagegen aufzubäumen.
    Irgend etwas war in diesem Haus passiert. Etwas Grauenvolles. Es hatte sich in jeden Mauerwinkel eingegraben und lauerte nur darauf, es wieder preiszugeben.
    Es war wie ein Film, der vor ihren Augen ablief.
    Ein Alptraum, aus dem es kein Erwachen gab ...
    *
    Erinnerungen
    Ihre Stimme klingt kalt. Ich ducke mich noch tiefer. Scham und Demütigung ist alles, was ich empfinde.
    Wie ein Junge, den seine Eltern bei etwas zutiefst Verbotenem ertappt haben.
    »Kommen Sie herein«, wiederholt sie mit einer Stimme kalt wie Eis. »Oder glauben Sie, ich habe Sie nicht schon die ganze Zeit bemerkt? Seit anderthalb Stunden sitzen Sie dort in dem Baum - und jetzt hier.«
    Wie ein geprügelter Hund klettere ich in ihr Zimmer, schaue sie an. Noch immer steht sie nackt vor mir, wie um meine Demütigung vollkommen zu machen. Schamvoll ziehe ich den Reißverschluß meiner Hose zu, während mein Stolz in bodenlose Abgründe versinkt.
    »Ich weiß auch, daß Sie mich heute Morgen schon beobachtet haben«, sagt sie. »Deshalb bin ich in Ihre Praxis gekommen. Ich wollte wissen, was Sie für ein Mensch sind.«
    »Was ich für ein Mensch bin?« Ich denke selbst darüber nach.
    »Sie sind ein Spanner«, sagt sie. »Ich müßte die Polizei rufen.«
    Ich muß lächeln. »Sind Sie sicher, daß man Ihnen glauben wird?«
    »Wie wollen Sie Ihre Anwesenheit denn erklären?«
    »Nun, ich könnte behaupten, Sie hätten mich zu einem Rendezvous eingeladen«, fällt mir ein. »Einige Polizisten kenne ich recht gut. Sie sind meine Patienten. Wem würden Sie wohl mehr glauben?« Meine Sicherheit wächst.
    Sie lacht. »Sie sind dreist!«
    »Hören Sie«, frage ich, »was wollen Sie von mir?«
    Sie schweigt ein paar Sekunden, scheint sich die Worte zurechtzulegen.
    »Seit ich in dieser Stadt bin, hat mich etwas zu dem Friedhof vor Ihrer Praxis hingezogen. Es ist der Engel. Seitdem bin ich nicht mehr die, die einst hier angereist ist. Ich weiß, daß Sie die Krankheiten Ihrer Mitmenschen weit mehr als ein normaler Arzt erahnen . Sie sind ein Seher.«
    »Wieso sind Sie sich da so sicher?«
    »Der Engel hat es mir erzählt. Er weiß alles .«
    »Ich habe Ihnen bereits heute Morgen gesagt, was Ihnen fehlt. Sie sind krank.«
    »Aber meine wahre Krankheit können Sie nicht erkennen, habe ich recht?« Sie kann meine innersten Gedanken lesen. Schutzlos bin ich ihr ausgeliefert. »Genauso wie Sie Sariels Krankheit nicht erkennen!«
    »Sariel?« frage ich verblüfft. Wovon spricht sie nur?
    »Der Engel der Toten und der geheimen Regionen«, fährt sie fort. »Der beim Jüngsten Gericht die dunklen Heerscharen führen wird.«
    »Sie sind verrückt! Sie gehören in eine Klapsmühle!«
    Plötzlich schmiegt sie sich an mich. Ich spüre Ihren nackten Leib ohne jegliche Erregung. Sie spürt meine innere Kälte und schmiegt sich enger an mich.
    »Helfen Sie mir!« flüstert sie in mein Ohr. »Helfen Sie mir, Sariel zu erlösen .«
    Ich stoße sie fort. Ihr wutverzerrtes Gesicht gleicht dem einer Tige-rin. Oder eines Racheengels.
    »Vielleicht gibt es einen Weg«, sage ich. »Ja, es stimmt: Ich vermag die Krankheiten der Lebenden und die Todesursachen der Verstorbenen zu erspüren! Warum aber spüre ich bei Ihnen nichts? Bei Ihnen wie bei dem Engel?«
    Sie starrt mich an. Dann scheint auch sie zu begreifen.
    »Sie sind eine Tote«, erkenne ich endlich. »Irgend etwas in Ihnen ist gestorben .«
    »Und der Engel? Was ist mit Sariel?« fragt sie.
    »Kommen Sie morgen früh in meine Praxis«, sage ich. »Und ziehen Sie sich etwas über, damit Sie sich nicht noch erkälten!«
    Dann verlasse ich sie. Durch die Tür, die ich leise hinter mir schließe. Auf schnellstem Wege eile ich zu meiner Praxis zurück. Ja, ich weiß plötzlich, warum ich am Grab des weißen Engels nur immer diese weiße Wand gesehen habe: Weil niemand in dem Grab liegt, das er bewacht. Das ist der Grund!
    Ich werde Laura erlösen, schwöre ich mir. Ich werde sie töten! Und auch ich werde wieder Frieden finden, wenn es keinen Menschen und kein Grab mehr gibt, das sich meinen Gedanken

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