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Der Herr der Welt

Der Herr der Welt

Titel: Der Herr der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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verschließt.
    Rasch sind Spaten und Hacke ergriffen. Ich muß endlich Gewißheit haben! Ich muß den letzten Beweis erbringen, daß jenes Grab wirklich leer ist.
    Jetzt, zu fast mitternächtlicher Stunde, erscheint mir der Friedhof noch fremder als sonst. Welcher dunkle Wahnsinn mochte ihn einst erschaffen haben? Ich blicke hinauf zu den Sternen. Im Buch Henoch heißt es, daß die Gestirne von Engeln beherrscht werden. Myriaden von sechsflügligen Engeln geleiten Sonne und Mond auf ihrer immerwährenden Reise. Aber welche Engel sind es, die andere Planeten und weit entfernte Sterne sich auserkoren haben? Schutzengel? Oder gefallene Engel wie Sariel, von dem Laura Gabrini sprach?
    Der Blick zum Himmel läßt mich taumeln. Mir ist, als schaute ich plötzlich Sternbilder, die dort gar nicht hingehören. Gleichzeitig vernehme ich leise wieder den seltsamen Ton, der mich schon mittags so beunruhigt hat. Er erinnert entfernt an Choräle, doch nichts daran ist himmlisch.
    Ich wende den Blick und halte mir die gepeinigten Ohren zu. Während ich an den Gräbern vorüberhaste, lese ich auf den Grab -steinen die Namen, die mir bisher verborgen geblieben sind. Die wirklichen Namen der Engel:
    Michael, der Engel mit dem Flammenschwert, Führer der Seelen und Engel des Jüngsten Gerichts. Uriel, der gnadenlose Sühneengel, der Engel der Kälte. Und viele mehr, deren Namen und düstere Bedeutungen auf ihren marmornen Abbildern plötzlich sichtbar werden.
    Wieso habe ich sie zuvor nie lesen können?
    Dann endlich stehe ich vor ihm: Sariel, Gottes Befehl, der Bestrafer der ungehorsamen Engel, der Todesengel. Und doch hat das Schicksal auch ihn ereilt.
    Er blutet noch immer, so wie ich ihn am Mittag verlassen habe. Das ganze Grab ist rot vor Blut. Sein Mund lächelt, grinst mich vielmehr an. Aber auch er kann mich nicht von meinem Vorhaben abbringen. Ich muß wissen, was es mit dem Grab auf sich hat. Ich stoße den Spaten tief in die feuchte Erde, die schmatzend nachgibt.
    Ich grabe wie ein Verrückter, während das Kreischen der Planeten lauter und lauter wird. Noch einmal schaue ich nach oben und sehe den Himmel vor Blitzen stroboskopisch zucken.
    Dann stoße ich auf etwas Weiches, Nachgiebiges. Ich grabe mit den Fingern weiter, schiebe die Erde beiseite und lege den Körper frei.
    Laura Gabrini öffnet die Augen - und sie ist Sariel. Der steinerne Engel spitzt die Lippen, und als er zu jubilieren beginnt, zerplatzen meine Trommelfelle.
    Schreiend laufe ich zurück ins Haus, schlage die Tür hinter mir zu, verbarrikadiere mich in meiner Praxis. Aber es wird nutzlos sein, so nutzlos ...
    Oh, ich ahne, daß er mich mißbraucht hat. All die Jahre. Meine Gabe! Ich lache. Es war sein Wille! So wie Laura Gabrini seine Venusfalle war, die mich ihn befreien ließ.
    Und er wird wandeln auf Erden und seinen Meister befreien: den Mächtigsten der Seraphin, den zwölfgeflügelten Stellvertreter Gottes, Abbadon, Apollyon, der Engel des bodenlosen Abgrunds, den Schlangenengel und Gebieter der dämonischen Heuschrecken - - Satan!
    Woher ich das weiß?
    Ich spüre seine verderbten Gedanken, während ich wimmernd in meiner Praxis kauere und er näherkommt. Der Boden vibriert unter seinen schweren, marmornen Füßen.
    Fluch über meine Gabe! Nein, nein, ich möchte nicht wissen, was er mir zu verkünden hat. Er soll schweigen, schweigen für immer, schweigen wie bisher! Aber er kommt näher und näher. Abermillionen aberwitziger Gedanken überfluten mein Hirn, während die Hölle sich öffnet und mein Bewußtsein
    verschlingt.
    *
    Nona schrie auf. Auch Kierszan brüllte. Seine Schreie marterten ihre Trommelfelle. Sie schlug die Augen auf. Noch immer befanden sie sich in dem Haus.
    Wir müssen hier raus! dachte sie entsetzt. Sie spürte, wie die Erinnerungen des Hauses und seines letzten Bewohners an ihrem Bewußtsein zerrten und sie abermals zu überschwemmen drohten.
    Sie faßte Kierszan an den Schultern und schüttelte ihn. Er schlug nach ihr. Noch immer befand er sich unter dem Einfluß der verderb -ten Gedanken.
    »Hör auf zu schreien!« herrschte Nona ihn an. »Komm zu dir!«
    Er sah sie an. Wie aus weiter Ferne erreichte sie sein glasiger Blick. Nona versetzte ihm eine schallende Ohrfeige, und endlich kam er wieder zu sich.
    »Hast du mich verstanden?« fragte sie ihn beschwörend. »Wir müssen von hier verschwinden!«
    »Sariel - der steinerne Engel«, stammelte er. »Es ist zu gefährlich dort draußen auf dem Friedhof.«
    »Es war nicht

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