Der Herr der zerstörten Seelen
bitte Sie, zu niemandem, aber wirklich zu gar niemandem ein Wort verlauten zu lassen.«
»Das gehört wohl zu meinem Job, nicht wahr?«
»Und ob!«
Berg lehnte den Kopf gegen die Genickstütze und schloß die Augen. »Wir haben ein Problem. Ein ziemlich dickes sogar … Ich möchte, daß Sie darüber informiert sind, nicht zuletzt, um Ihnen mein Vertrauen zu beweisen, und zum zweiten, weil ich Sie wahrscheinlich brauchen werde, obwohl mir noch nicht ganz klar ist, wie ich Sie in dieser Geschichte einsetzen kann. Aber vielleicht haben Sie selbst ein paar Ideen dazu …«
Es gab nichts zu antworten.
»Es geht um dieses Mädchen … Und um eines unserer Mitglieder.«
»Welches Mädchen? Toni Becker?«
»Die andere. Kati, die Tochter von Dorothea Folkert.«
»Und was ist mit ihr?«
»Sie wurde von einem unserer besten Leute missioniert, einem jungen Mann aus Bayreuth. Sein Name ist Martin Hilper. Er hat, was Anwerbungen angeht, wirklich Hervorragendes geleistet. Außerdem besitzt er den fünften Grad.«
Na und? dachte Tennhaff. Bei vierundzwanzig Graden …
»Der Mann bekam den Auftrag, sich um die kleine Folkert zu kümmern.«
»Weil die Mutter so eine große Nummer ist?«
»So könnte man es nennen. Die Medien sind für uns besonders wichtig, und ein gewisser Einfluß kann nicht schaden. Sie kennen ja unsere Strategie: Möglichst keine Veröffentlichungen, doch wenn, dann positiv. Was für uns wichtig ist, könnte man eine gewisse ›Hintergrundstimmung von Sympathie‹ nennen … Die Scientologen, diese Idioten, haben ja vorgeführt, wohin es läuft, wenn man den umgekehrten Weg geht und überall auf die Pauke haut. Sie haben sich nicht nur ins Knie, in Deutschland haben sie sich buchstäblich selbst abgeschossen.«
Tennhaff nickte. Der Parkplatz am Schloß war leer. Die ›Freunde und Förderer‹ waren abgefahren.
»Martin Hilper hatte also Erfolg, was wohl nicht allzu schwer war, denn nach seinen Berichten fühlte sich die kleine Folkert alleingelassen, unverstanden, war weder mit der Gesellschaft noch mit sich selbst einig, was man als Folge eines gewissen Eltern-Traumas sehen könnte – also eines rein personalisierten Unbehagens, das Kati Folkert dann damit kompensierte, daß sie manchmal auf den Putz haute, wohl auch ein paar Pillen und Drogen nahm und gelegentlich an irgendwelchen Satansfesten teilnahm.«
»Satansfesten?«
»Na ja, das ist zur Zeit so eine Jugendmode. Nichts kann verrückt genug sein, um bei den Jugendlichen nicht zur Mode zu werden. In München gibt es ganze Jugend-Satans-Logen, in den Diskotheken finden Grufti-Partys statt. Kati Folkert machte mit, nahm das wohl nicht so ernst, denn sie interessierte sich für Grundfragen: Umwelt, Philosophie, Religion und so weiter …«
»Ja?« sagte Tennhaff.
»Martin hatte es mit ihr also relativ einfach. Er knöpfte sie sich nach einer solchen Party vor, sprach mit ihr, traf sie verschiedentlich und zog sie auch bald auf unsere Seite, so sehr sogar, daß sie sich bereit erklärte, nach Schönberg zu kommen.«
Warum mußt du dir dies alles anhören, fragte sich Tennhaff.
Und da kam es …
»Es ist unglaublich«, sagte Berg. »Es ist ein Hammer. Martin brachte sie hierher und fuhr nach Lausanne zur Schweizer GW-Niederlassung, wo er einen Auftrag von uns hatte. Er besuchte die Rue Montreux, erledigte diese Sache und fuhr nach Hause, nach Bayreuth. Gestern nun bekomme ich einen Anruf von der 5. Abteilung …«
Er machte eine seiner Pausen. Tennhaff ließ ihn schweigen. Den Teufel würde er tun und ihn drängen. Aber es schien wirklich ein dicker Hund zu sein, bei dem tragischen Gesicht, das Berg zog.
»Ausgerechnet er … Ausgerechnet Martin! Ein Junge, den ich gefördert habe, wo ich konnte. Für den ich meine Hand ins Feuer gelegt hätte. Ich halte mich für einen verdammt guten Menschenkenner. Vielleicht sitzen wir auch deshalb noch immer nebeneinander. Jedenfalls habe ich mich fast nie getäuscht. Aber in diesem Fall …«
Tennhaff stellte die erste Frage: »Was war?«
»Was? Er ist ein Schwein. Ein Stück Dreck. Ein hundsgemeiner, schmutziger Verräter …«
Ein Marc Berg, der Schimpfworte ausstieß und vor Zorn keuchte, war ein Erlebnis.
»In Lausanne gibt es doch unsere Informationszentrale«, fuhr er dann, ruhiger geworden, fort. »Sie enthält die Namen und Daten der wichtigsten Freunde und Förderer der GW: Leute, die in den Schaltstellen sitzen. Und deshalb schon nicht wünschen und es sich auch nicht leisten können,
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