Der Herr der zerstörten Seelen
daß ihr Name mit uns in Verbindung gebracht wird. Es sind die Leute, die unser wichtigstes Kapital darstellen.«
Nun war Tennhaff doch gespannt.
»An dem ganzen Scheißfall sehen Sie, wieso ich immer so darauf dränge, daß unsere Sicherheitsvorkehrungen perfekt funktionieren. In Lausanne wurde geschlampt, wirklich geschlampt … Sonst wäre es nicht möglich gewesen, daß Hilper sich einen Schlüssel für das Info-Archiv besorgen konnte. Es ist unglaublich! Alles, was da an Material lag, schön auf Disketten gespeichert, hat er mitgenommen. Und nicht einmal das hat ihm gereicht. Er hat sogar noch versucht, den Code zu knacken und an die Festplatte heranzukommen.«
»Und das ist bewiesen?«
»Und ob es bewiesen ist! Seine Fingerabdrücke waren auf dem Computer, dem Modem-Gehäuse und dem Schreibtisch, überall haben sie sie gefunden. Die Abteilung 5 hat verifiziert, daß es Hilpers Abdrücke waren.«
Sieh mal an, dachte Tennhaff, sie sammeln Fingerabdrücke … Auch das ist neu.
»Und was wird jetzt?«
»Wenn ich das wüßte! Hilper ist in Bayreuth. In seiner Wohnung. Es geht ja nicht allein um das Material, es geht auch um ihn. Cannero sagt, die Abteilung 5 würde uns noch wissen lassen, was geschehen soll. Vielleicht benötigen sie unsere Unterstützung, vielleicht erledigen sie das Problem auch allein …«
Das Problem? Tennhaff kannte den Laden und die Abteilung 5 inzwischen gut genug, um zu wissen, daß eine Frage, auf welche Weise ›das Problem erledigt‹ werden sollte, zwecklos war.
Berg drehte ruckartig den Kopf. »Diese Kati Folkert, Sie haben sie doch heute morgen in Ihre Wohnung mitgenommen?«
»Ja, um ihr einen Kaffee zu geben. Den hatte sie nötig.«
»Hat sie irgendwas gesagt? Hat sie irgend etwas über Martin verlauten lassen?«
»Nein. Sie hatte nur diese Toni im Kopf. Sie war ziemlich fertig …«
Berg starrte wieder geradeaus. Tennhaff betrachtete sein Profil. Da wäre noch so eine Frage … Wie ist das mit Drogen und Speed im Alpha-Kurs? Was für einen Cocktail verabreicht ihr da eigentlich?
Aber jetzt war wohl nicht der Zeitpunkt, sie zu stellen …
Do sah stur geradeaus auf die naßglänzende Autobahn. Tommi Reinecke hing neben ihr im Beifahrersitz und ließ den kalten Zigarillo von einem Mundwinkel zum anderen wandern. Wenn das Stinkding nur endlich auseinanderfallen würde!
»He? Wie wär's denn mit einer Antwort?« sagte Reinecke.
»Auf was?«
»Darauf, daß Kati wahrscheinlich in irgendeinem Zug nach Süden sitzt, weil ihr das Wetter auf den Geist ging. Oder sie hat sich ein Flugticket gekauft … Übrigens: Hätte sie das Geld dazu?«
»Vielleicht.«
»Sehr aufschlußreich. Was soll das nun wieder heißen?«
»Ihr Großvater hat ihr ein Konto vermacht. Seit ihrem einundzwanzigsten Geburtstag kann sie sich davon bedienen.«
»Ach ja? – Und wann war der einundzwanzigste Geburtstag?«
»Vor drei Wochen …«
Tommi schwieg.
Das Konto. Eine Reise? Nein, das war es nicht. Do ahnte, fühlte, wußte es.
»Tommi, es hat mit diesem Omega-Typen zu tun. Oder mit der Fotografie.«
»Das hat Otto dir in den Kopf gesetzt, wie?«
»Wieso? Ihm habe ich ja nur Katis Brief gezeigt. Den allerdings fand er ziemlich merkwürdig.«
»Und dann kam dieser Diskjockey und erklärte dir, warum er merkwürdig ist. Lauter Genies!«
Ihr Fuß drückte den Gashebel durch. Der Frontera machte einen Sprung nach vorn. Do steigerte das Tempo weiter. Das Röhren des Motors verschaffte ihr eine unbestimmte Genugtuung. Gerade noch, vor einem grell hupenden Mercedes und quietschenden Reifen, schaffte sie die Lücke hinter dem dicken Zementmischer, der den Stau verursacht hatte.
Tommi nahm den Zigarillo nun doch aus dem Mund. »Sag mal, was ist eigentlich mit dir los?«
»Und mit dir, zum Teufel!«
»Vielleicht habe ich kein Kind«, sagte Tommi, »aber immerhin muß ich einen Kater versorgen.«
Er stopfte den Zigarillo empört in den Aschenbecher. Do nahm das Gas zurück. Rechts und links der Autobahn glitt in sanften Wellen die Landschaft vorbei. Krähenschwärme strichen über aufgebrochene dunkle Erdschollen. Große behäbige Höfe tauchten auf, ab und zu ein Dorf … Alles lag, wie mit einem Weichfilter gezeichnet, in silberwäßrigem Dunst: Franken …
»Ehrlich, Tommi«, sagte Do erbittert, »ich kapiere überhaupt nicht, wieso du eigentlich hier neben mir sitzt.«
»Weil es in Bayreuth eine Telefonnummer gibt. Und einen Herrn Hilper, dem sie gehört. Hast du das vergessen?«
»Nein.
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