Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr der zerstörten Seelen

Der Herr der zerstörten Seelen

Titel: Der Herr der zerstörten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
es und frage mich, warum wir das Entlassungsgespräch nicht gleich bei mir im Büro erledigten?«
    »Entlassungsgespräch? Mit ›Entlassungen‹ tut sich die GW ein wenig schwer, das wissen Sie. Und daß das, was heute morgen passierte, nicht einfach im Raum stehenbleiben kann, wissen Sie auch. Im Moment geht es um etwas anderes … Es geht darum, ein für allemal Ihre Einstellung zur GW zu klären.«
    Grimmig schob Berg beide Hände in die Taschen seiner langen Jacke und marschierte los. Tennhaff stapfte neben ihm her. Ein Kieferntal als Besprechungsort, nur weil Marc Berg Angst hat, sein Büro sei verwanzt. Sein eigenes natürlich auch, das ganze Gelände. Sein Gehirn ist verwanzt, dachte Tennhaff. Er hat nicht mehr alle Tassen im Schrank.
    »Und nicht nur um Ihre Einstellung geht es, Robert. Vor allem um Ihre Loyalität.«
    Tennhaff schwieg weiter.
    »Sehen Sie, mein Vorläufer, der gute Paul Kramer, hat Sie angeheuert und aufgebaut, weil er Sie als Top-Profi einschätzte. Sie haben eine Art Sonderstatus erhalten, der selbst von der Zentrale in Cannero akzeptiert wird. Aber das gilt auf Zeit, Robert. Nicht für ewig …«
    »Ich habe …«
    »Nichts haben Sie. Ihre ganze Tüchtigkeit, Robert, taugt einen Dreck, wenn Sie nicht von den Zielen überzeugt sind, für die wir kämpfen. Zutiefst überzeugt, Robert … Und was haben Sie getan? Haben Sie es jemals bewiesen? Haben Sie auch nur so etwas ähnliches gemacht wie einen Versuch?«
    »Das war weitgehend eine Zeitfrage, Marc. Sie haben mich dauernd mit Aufgaben eingedeckt.«
    »Das ändert nichts, überhaupt nichts!« Bergs Stimme klang schrill. Nie hatte Robert ihn so gehört. »Wir haben Ihnen Kurse angeboten – haben Sie sie mitgemacht? Sie sollten in die USA. Waren Sie dort? Cannero hat Sie schon dreimal zur Schulung angefordert. Dort sitzt die 5. Abteilung. Und Sie wissen genau, daß Sie sich mit ihr abstimmen müssen. Aber nein. Fehlanzeige! Herr Tennhaff hatte keine Zeit … Aber in meinem Haus eine Art Meuterei anzuzetteln, so etwas liegt Ihnen.«
    Tennhaff sah einem Vogel nach, der dicht über die Kiefernkronen strich. »Ich will mich nicht verteidigen, Marc. Entscheiden Sie, wie Sie wollen … Aber heute morgen, die Sache mit Toni, das war für mich auch eine Loyalitätsfrage.«
    »Irrtum. Es gibt nur eine Loyalität.« Sie sahen sich an. »Ich kann mir keinen Fehlgriff leisten, Robert. Keinen weiteren … In solchen Fragen schon gar nicht. Daher will ich Klarheit. Auch Sie sollten sich darüber klar sein, daß Sie sich keinen Fehler mehr leisten können. Nicht einen einzigen. Um diese Klärung geht es. Darum allein.«
    Berg griff in die Innentasche seiner mächtigen Jacke und zerrte einen Umschlag heraus. Es war ein Umschlag der GW-Administration. »Das habe ich heute morgen Ihrer Personalakte entnommen. Ich fand auch sonst allerhand Interessantes …«
    Er zog mit spitzen Fingern ein Papier aus dem Kuvert und entfaltete es. Tennhaff erkannte das Hammer-und-Sichel-Emblem der entschwundenen DDR und wußte sofort, was Berg da in der Hand hielt. Selbst das ungefähre Datum des Schreibens kannte er: April 1986. Es war der Rapport der für den Grenzabschnitt Philippsthal zuständigen Militärpolizei an den Kommandeur des 3. Korps. Es war eine Fotokopie. Tennhaff spürte, wie sich sein Rücken versteifte.
    »Woher haben Sie das?«
    »Nun, Robert, woher wohl? – Gehen wir davon aus, daß wir an vielen Orten unsere Beziehungen haben. Und daß es immer noch Dokumenten-Depots gibt, die zwar noch nicht bei der Gauck-Behörde gelandet sind, zu denen wir aber Zugang besitzen. Wäre doch eine Möglichkeit, finden Sie nicht?«
    Tennhaff spürte seine Kiefer, so stark hatte er die Zähne zusammengebissen. Das war doch nicht zu glauben! Diese verdammten Dreckschweine …
    »Und es ist ja nun aufschlußreich«, hörte er Berg sagen, »was da steht. Daß zum Beispiel am 13. April 1986 die DDR-Bürgerin Kyra Stamm zusammen mit ihrem Sohn Manuel bei dem Versuch … Moment … ja, hier, bei dem Versuch, die Staatsgrenze bei Buttlar zu durchbrechen, von einer Streife der 3. Kompanie der Sonderkommando-Einheit 101 gestellt und, da die vorgeschriebenen Warnrufe nicht beachtet wurden, erschossen worden sind. Einer Streife der unter dem Kommando des Hauptmanns Robert Tennhaff stehenden 3. Kompanie. Wörtlich …«
    Tennhaff schwieg.
    Es gab nichts zu sagen.
    Oder doch? Daß er in dieser Nacht überhaupt nicht an der Grenze gewesen war. Daß sie ohnehin nur für vierzehn Tage

Weitere Kostenlose Bücher