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Der Herr der zerstörten Seelen

Der Herr der zerstörten Seelen

Titel: Der Herr der zerstörten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Aber du kommst mir mit blöden Kombinationen und nervst mich mit Ironie.«
    Mit einem Ruck drehte er sich ihr zu. »Blöde Kombinationen? Ach nein!«
    »Ja …«
    »Und ich weiß nicht mehr, was ich von dir halten soll. Als wir noch gemeinsam unsere Reportagen zusammenbauten, da waren zwei und zwei noch vier für dich. Aber jetzt? Jetzt hast du dich derart auf dieses Omega-Ding und diesen Hilper versteift, als wolltest du einen Roman auskochen.«
    »Hast du einen besseren Vorschlag?«
    Er zupfte an seinem Kinnbart herum. »Ich habe nun mal Sorgen, daß du dir zu große Hoffnungen machst. Und noch eine Sorge habe ich …«
    »Ja?«
    »Sekten. Satanslogen. Omega, Sechs-sechs-sechs … Verzweifelt suchst du irgendwelche Schuldige. Wieso zerbrichst du dir nicht mal ein bißchen deinen gescheiten Kopf darüber, was du mit allem zu tun haben könntest?«
    »Hör auf!«
    »Genau die Antwort habe ich erwartet.«
    »Und du meinst …« Ihre Stimme wurde leise und kläglich. »Du meinst, ich beschäftige mich mit etwas anderem als mit genau dieser Frage?«
    Er hatte beschlossen, keine Gnade walten zu lassen. »Sekten«, wiederholte er. »Eine Sekte muß her. Ich bin auf dem Land groß geworden, während der Nazizeit. Hab' ich dir das schon erzählt? Alles war schwarz, schwärzer ging's nicht … In unserem Dorf nannten die sich ›Zeugen des Wortes‹. Es waren nicht mehr als ein Dutzend … Ihr Chef war auch der Chef der Molkerei, Hannes hieß der. Später nannte er sich Johannes … Und seine Frau hieß auch noch Maria … Man konnte über sie grinsen oder sie rausschmeißen, aber die standen jeden Sonntag in der Stube oder im Stall, um das Wort zu predigen … Was die riskierten, als die Nazis richtig loslegten und ganz in der Nähe bei uns, in der Heilanstalt Weissenau, die Vergasungsbusse abrollten, das läßt sich gar nicht beschreiben …«
    Er hatte sich einen neuen Zigarillo angezündet, nahm einen mächtigen Zug und hustete. »Lebensunwertes Leben mußte vernichtet werden! Selbst die Ärzte machten mit. Nur die ›Zeugen‹ legten sich quer. Die gingen aufs Ganze, druckten Flugblätter, nannten die Nazis Mörder, predigten gegen die Herrschaft Satans … Und als ob das nicht reichte, halfen sie, wo sie konnten, den Kriegsgefangenen, steckten den Franzosen, später sogar den Russen Brot, Speck und Eier zu. Bis die Gestapo dann aufräumte.«
    »Und was wurde aus ihnen?«
    »Was schon? KZ. Und keiner kam zurück. Nein, der alte Stocker, den ließen sie laufen. Der redete nur noch wirres Zeug … Ein Jahr später kam er selbst in die Klapsmühle nach Weissenau.«
    Do schwieg und sah geradeaus. Was hatten diese alten Geschichten mit ihr zu tun?
    Sie erreichten Bayreuth, ehe es dunkel wurde.
    Es ging noch einfacher, als Do es sich vorgestellt hatte: Sie hatte sich in ein Café gesetzt, ein hübsches Eck-Café unweit des Hofgartens. Es war fünf Minuten nach vier, als sie sich von Tommi trennte, und kurz nach halb fünf, als er wieder zur Tür hereinkam.
    »Was schiefgegangen?« fragte Do.
    »Nein.«
    »Und?«
    »Na ja …«
    Das ›Na ja‹ war vielsagend, enthielt aber ein verstecktes Zugeständnis. Umständlich zündete Tommi einen seiner elenden Zigarillos an, blickte über den Raum mit seinen runden Tischen und den frisch ondulierten älteren Damen mit ihren Käsesahne-, Schwarzwälder Kirsch- und Sacher-Torten, und schließlich sah er auf das große Wagner-Porträt an der Wand und die Tristan-und-Isolde-Bühnenfotos vom Hügel.
    »Die alte Folkert-Nase«, sagte Tommi Reinecke widerwillig.
    »Red schon.«
    Zuerst war er beim Einwohnermeldeamt gewesen, dann in der Lokalredaktion des ›Bayreuther Anzeiger‹. Er hatte einen Blitzkrieg geführt: Die Familie Hilper – alteingesessene Kaufleute, die Firma Hilper – Haus und Garten – seit vier Generationen in ihrem Besitz und das größte Haushaltsgeschäft Bayreuths. Der derzeitige Geschäftsführer war ein gewisser Franz Perauer, zweiter Mann der Besitzerin Annemarie Hilper.
    »Martin ist ihr Sohn. Der leibliche Vater ist vor acht Jahren gestorben. An Krebs.«
    Do rührte in ihrer Kaffeetasse, blickte durch die Fenster auf das Steinpflaster und dann auf die verschnörkelten Barock-Steineinfassungen an der gegenüberliegenden Hausfassade.
    »Tommi, was ist mit Martin Hilper?«
    »Der studierte in München Volkswirtschaft.«
    »Dann hat er Kati an der Uni kennengelernt?«
    Tommi schüttelte den Kopf. »Kaum … Das Studium hat er schon vor vier Jahren geschmissen.

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