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Der Herr der zerstörten Seelen

Der Herr der zerstörten Seelen

Titel: Der Herr der zerstörten Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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doch erst mal die Luft weg: Hände in den Taschen, Flanellhemd – ein Typ, der schnell mal in der Kneipe ein Bier braucht und sich dazu ausgerechnet den exklusivsten Wirtschaftsclub von Genf aussucht.
    »Pardon, Monsieur …«
    Es war alles, was Tannert hervorbringen konnte. Denn wer tauchte da plötzlich hinter der Type auf? Legrand. Und Legrand war nun mal Legrand …
    Sie steuerten den Salon an. Na, der Frühstücksrummel war zum Glück vorüber. Dort gab's um ein Uhr niemanden, dem ein Flanellhemd auf die Nerven gehen konnte.
    Legrand wies auf die Ecke mit der kunstvoll beleuchteten und mit viel Liebe gepflegten Hibiskusstaude.
    »Hier? – Hübsch?«
    Arjun Williams lächelte. Das tat er meist. Und meist hatte er auch die Daumen in den Jeansbund gehakt. Er setzte sich nicht, guckte sich einfach um, lange und andächtig wie ein Kind.
    »Man riecht's.«
    »Wie bitte? Was riecht man?«
    »Das Geld«, lächelte Arjun Williams.
    Legrand bestellte bei dem herbeieilenden Philip das Vichy, das Arjun haben wollte, und für sich einen Kaffee, obwohl ein Whisky vermutlich angebrachter gewesen wäre.
    Es war lange her, daß Legrand sich vor einem Gespräch so nervös gefühlt hatte wie vor diesem. Dabei war er es selbst gewesen, der es eingefädelt hatte.
    »Sagen Sie, Mr. Williams …«
    »Warum nennen Sie mich immer Mr. Williams? Sagen Sie einfach Arjun zu mir.«
    »Na schön, Arjun. Wie kommen Sie eigentlich darauf, daß ich vor kurzer Zeit einen seelischen Schock erlitten hätte?«
    »Oh? Wollen Sie wirklich, daß ich das beantworte?«
    Arjun lehnte sich zurück, hatte beide Hände lässig auf dem feinen Leder der Sessellehnen liegen, lächelte. Wo zum Teufel nahm er nur seine Selbstsicherheit her? Sechsundzwanzig Jahre war er. In dem Alter, dachte Legrand, habe ich zwar schon ein paar Millionen gemacht, aber was war ich? Nichts als ein beschissenes Bündel von Komplexen …
    »Wenn es Ihnen unangenehm ist, natürlich nicht.«
    »Sehen Sie, es ist nun mal, wie's ist. Und Sie können mir ruhig glauben: Das ist manchmal gar nicht so angenehm für mich. Aber ich komme nun einmal hinter vieles … Es ist gewissermaßen mein Schicksal, meine Beschäftigung und mein Talent.« Arjun lächelte. »Ich wußte das übrigens schon, als Sie gestern zur Tür hereinkamen.«
    Legrand trank seinen ersten Schluck Kaffee. Na und? Dann hat's dir Meunier gesteckt.
    »Sie dürfen sich da keine falschen Vorstellungen machen«, sagte der Kerl. »Ich sehe Dinge nicht genau. Es sind flüchtige, verschwommene Eindrücke, so etwa, wie man sie manchmal in unklaren Träumen hat. Aber irgendwie hatte es mit Wasser zu tun … Und auch mit einer Frau. Einer jungen Frau … Einer blonden …«
    Legrands Hals wurde eng: Lucette! Die Weiber. Seine Angst. Davon wußte Meunier nichts. Kein Wort hatte er ihm erzählt.
    »Vielleicht haben Sie recht«, sagte Legrand hastig. »Irgendwie … Aber lassen wir das. Eigentlich hatte ich ein anderes Thema. Was Sie gestern über die Kirchen und über den Zustand der Welt sagten, hat mich sehr beeindruckt.«
    Der Flanellhemdkerl schwieg.
    »Was Sie da aussprachen, habe ich oft selbst gedacht. Nur – hm – diese Endzeitstimmung, diese Katastrophenprognosen …«
    »Prognosen? Das war eine Tatsachenfeststellung.«
    »… daß es im Jahre 2006 mit dieser Welt vorbei sein wird?«
    »In der Form, in der wir sie heute erleben, ja. Aber darüber wollten Sie heute vormittag doch gar nicht mit mir reden, nicht wahr?«
    »Über was dann? Ich verstehe Sie nicht recht …«
    »Sir, wir können uns hier über vieles unterhalten. Über Religion, den Einfluß höherer Wahrheiten auf den Menschen, von mir aus auch über den Einfluß Verstorbener – Ihrer Mutter zum Beispiel …«
    »Meiner … meiner Mutter? Wie kommen Sie auf sie?«
    »Oh, lassen wir das … Das war ja nicht das Thema, das Ihnen am Herzen lag, nicht wahr?«
    Legrand spürte, wie ihm die Distanz entglitt, die er in solchen Situationen stets aufgebracht hatte, ja daß er kurz davor war, die Nerven zu verlieren, weil ihn unter dem Blick dieses jungen Kerls eine Art Schwäche ankam. Der Einfluß Ihrer Mutter? Mama, was sagt er da? Er mußte den verdammten Whisky aufgeben. Vielleicht waren es auch die Tabletten? Legrand liebte sie, die farbigen, runden kleinen Pillen, die ihn so herrlich auf Trab brachten und die ihm Roi, ein Apotheker aus Annemasse, besorgte. Vielleicht hatte er heute morgen zuviel davon genommen, bestimmt, denn seine Fingerspitzen waren ganz kalt,

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