Der Herr des Traumreichs
Form angeklagt. Sie leisteten wissentlich Beihilfe zu einem Massenausbruch von Sträflingen, die rechtmäßig zur Zwangsarbeit in den Glomm-Minen verurteilt worden waren…«
Ein diskreter Schauer des Entsetzens überlief die Adligen in den vorderen Reihen, aber Garth bemerkte, daß die gewöhnlichen Bürger von Ruen weiter hinten sich davon nicht anstecken ließen. Das Glomm hatte zu vielen von ihnen Ehemänner, Söhne und Brüder geraubt.
Garths Blick wanderte zu Egalion. Das Gesicht des Hauptmanns war so nichtssagend wie eine Felswand.
Ermutigt von der Zustimmung der Adligen, fuhr Cavor fort:
»Sobald das Gesindel wieder frei und unbeschwert unter der Sonne des Tages wandelte, wollten sie das Volk von Escator zum Aufstand gegen den Thron aufwiegeln. Ich bin überzeugt, meine Freunde« – Cavors Stimme wurde leiser, als schmerzten ihn die Worte wie der Tod eines geliebten Menschen –, »daß Joseph Baxtor, besessen von nackter Machtgier, nichts anderes vorhatte, als selbst den Thron zu besteigen.«
Garth und seinem Vater blieb der Mund offenstehen, und Joseph setzte zum Sprechen an, aber Cavor kam ihm zuvor.
»Schweigt still!« zischte er, und die Hand, in der er die Reichskugel hielt, zitterte heftig. »Ich will Eure erbärmlichen Ausflüchte nicht hören! Eure Taten sprechen für sich, jedes Wort reißt Euch nur noch tiefer hinein in die Feuer der ewigen Hölle.«
Garth glaubte zu ersticken. Cavors Lügen waren so ungeheuerlich, daß er es kaum noch ertrug, sie weiter anzuhören.
Aber Cavor hatte schließlich eine Menge zu verbergen.
Aus dem Augenwinkel sah er, wie ein Ausdruck der Bestürzung über Egalions Gesicht huschte. Aber der Hauptmann hatte die Beherrschung sofort wieder zurückgewonnen. In den hinteren Zuschauerreihen wurde es unruhig, doch auch das war gleich wieder vorbei.
Cavor legte für einen Augenblick die Hand über die Augen, dann fuhr er, ruhiger geworden, mit beherrschter Stimme fort:
»Der Plan ist mißlungen – dank ihrer Unfähigkeit. Nur ein einziger Sträfling konnte entkommen.« Auf die Identität dieses Sträflings ging er nicht ein. »Doch ein Gericht hat nach den Absichten zu urteilen und nicht nach den Fähigkeiten. Und deshalb« – er nahm einen tiefen Atemzug und lehnte sich zurück – »fälle ich folgenden Spruch. Egalion?«
Der Hauptmann fuhr zusammen, als sei er mit seinen Gedanken weit weg gewesen.
»Egalion. Ich bitte um die verhüllte Axt.«
Garth überlief ein Schauer, obwohl er entschlossen war, sich nicht beirren zu lassen. Die verhüllte Axt sollte sein und seines Vaters Schicksal offenbaren, und Garth zweifelte nicht daran, wie die Entscheidung ausfallen würde.
Egalion trat hinter den Richterstuhl und nahm von einem kleinen Sockel ein großes Tablett, das mit einem Tuch aus tiefrotem Samt bedeckt war. Dann bestieg er das Podest, um damit vor seinen König zu treten.
»Die Leute munkeln«, ließ sich eine derbe Stimme aus den hinteren Zuschauerreihen vernehmen, »die Baxtors hätten Prinz Maximilian aus den Adern befreit.«
Egalion war noch mehrere Schritte von Cavor entfernt. Nun zuckte er erschrocken zusammen und wäre fast gestolpert, doch er fing sich rasch wieder.
Cavor verlor die Fassung und fuhr von seinem Sessel auf.
»Ergreift diesen Mann!« brüllte er, bevor er sich zögernd wieder zurücksinken ließ.
Sofort stürzten sich etliche Gardisten in die Menge, aber es war schon zu spät. Dumpfes Gemurmel durchlief die Reihen und wurde immer lauter. »Maximilian? Am Leben?
Maximilian? Nicht tot? Was? Wer? Maximilian?«
»Ja!« rief eine andere noch rauhere Stimme. »Lebendig begraben und wieder auferstanden!«
Garth und Joseph wechselten einen raschen Blick – das mußte das Werk des Waldhüters Alaine sein.
Bevor weitere Stimmen laut werden konnten, bahnten sich die Gardisten einen Weg durch die Mauer aus Händlern und Straßendieben, ergriffen vier oder fünf Männer und schleppten sie zu den hinteren Türen hinaus. Damit war die Ordnung halbwegs wiederhergestellt, und das Raunen verstummte.
Doch eine gewisse unterschwellige Spannung blieb.
Cavor lächelte aufmunternd, doch Garth, der dicht vor ihm stand, konnte beobachten, wieviel Überwindung ihn das kostete. »Seht Ihr, meine Freunde? Der abscheuliche Verrat zieht immer weitere Kreise!« rief er. »Gewiß hatten die Baxtors geplant, einen armen Sträfling als Prinzen zu verkleiden und für Maximilian auszugeben – dessen Seele in Frieden ruhen möge.«
Zum ersten Mal sah er
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