Der Herr des Traumreichs
nicht alles.
Garth, du hast etwas Fremdes gespürt.«
Sein Sohn nickte.
»Und Ihr habt beide seine glühenden Wangen und die glänzenden Augen betrachtet«, sagte Ravenna leise und richtete die grauen Augen fest auf Joseph.
Der Heiler sah sie nachdenklich an. Bei seinen Besuchen im Sumpfland war er ihr oft begegnet, doch an diesen Ort und in diese Gesellschaft schien sie nicht zu passen. Und ihre Mutter war ihm immer unheimlich gewesen. »Gut beobachtet, Ravenna. Ein Fieber hat ihn befallen, aber es ist kein gewöhnliches Fieber. Meine Freunde…« Joseph hob den Kopf und schaute jedem in der Runde fest in die Augen. »Er hat eine Krankheit in sich, die ihn auffrißt. Ich glaube… ich glaube, das Mal des Manteceros sucht sich aus dem Narbengewebe zu befreien, das es gefangenhält. Gelingt ihm das nicht, dann wird Maximilian wohl daran verbrennen.«
»Soll das heißen, er stirbt?« fragte Gustus entgeistert.
Joseph nickte. »Früher oder später ja.«
»Können wir ihm helfen?« fragte Garth und beugte sich ungeduldig vor.
Joseph zögerte. »Vielleicht… aber nicht hier.« Er wandte sich an Vorstus und sah ihm in die Augen. »Die besten Aussichten hätten wir – hätte er – an dem Ort, wo ihm das Mal ursprünglich eingeritzt wurde.«
Vorstus’ Lächeln war kühl und abweisend. »Was wollt Ihr damit sagen, Joseph?«
»Ich meine, daß Maximilian in den Wald zurückgebracht werden muß. Aus verschiedenen Gründen.«
Vorstus’ Lächeln erwärmte sich ein wenig. »Ihr seid mit den Ritualen der Persimius-Dynastie besser vertraut, als ich dachte, Joseph Baxtor.«
»Ich kannte Maximilians Vater sehr gut.«
»Aha«, stellte Vorstus trocken fest. »Schön. Ich gebe Euch recht. Maximilian muß zurück in den Wald, aus dem er einst entführt wurde. Aus vielen Gründen, aber, und auch darin stimme ich Euch zu, zunächst vor allem wegen des Fiebers, das in ihm wütet.«
»Wir werden Euch helfen«, versprach Garth. Es klang so trotzig, als wolle er seinen Vater davor warnen, ihm zu widersprechen.
Joseph runzelte die Stirn. »Gewiß doch, aber wir dürfen nicht einfach bei Nacht und Nebel verschwinden, Garth. Sonst bringt man uns sofort mit Maximilians Flucht in Verbindung.«
»Und wenn schon?« rief Garth. »Hast du etwa Angst, dein Name könnte in einem Atemzug mit dem des wahren Königs von Escator genannt werden?«
»Du junger Narr!« rief Joseph. »Wie kannst du es wagen, an meinem Mut zu zweifeln! Denkst du denn nicht an deine Mutter? Hast du vergessen, daß Cavor sie schon bald in seiner Gewalt haben wird? Ich jedenfalls möchte sie nicht in Gefahr bringen.«
»Joseph«, unterbrach Vorstus, »was redet Ihr da?«
Garth war kleinlaut geworden. Joseph sah ihn noch einmal empört an, dann wandte er sich den anderen zu und erklärte, daß Cavor ihm befohlen habe, mit seiner Familie in den Palast zu übersiedeln. »Er wollte Nona holen lassen, während Garth und ich noch hier in den Minen wären.«
»Und Ihr glaubt, Cavor könnte sich rächen, wenn er annehmen müßte, Ihr hättet einem namenlosen Sträfling zur Flucht aus den Adern verholfen?« fragte Vorstus langsam.
Dann schwieg er lange. Endlich fragte er: »Wollt Ihr damit andeuten, Cavor habe gewußt, daß Maximilian als Sträfling Nummer achthundertneunundfünfzig in den Glomm-Minen schmachtete?«
Joseph schwieg minutenlang und starrte an Vorstus vorbei ins Leere. Endlich sagte er: »Ich kann es nicht beweisen, Vorstus.
Garth kann Cavor nicht völlig vertrauen, und ich… Nun ja…«
Wieder verstummte er. Nach einer Weile räusperte er sich.
»Selbst einen namenlosen Sträfling aus den Adern zu befreien, wäre ein Verbrechen, Vorstus. Ich möchte vermeiden, daß Nona durch mich oder« – ein strenger Blick zu Garth – »durch meinen Sohn in irgendeiner Weise in Gefahr gerät.«
»Ich könnte vielleicht Abhilfe schaffen«, erklärte Ravenna so leise, daß die anderen erst mit einiger Verspätung auf sie aufmerksam wurden.
»Wie?« fragte Joseph mißtrauisch.
»Venetia«, Ravenna sah ihn bedeutungsvoll an, »kann sie heimlich in den Sumpf holen. Dort findet sie niemand, solange sie nicht gefunden werden will.«
»Aber dazu müßtest du Venetia erst einen Brief schicken«, wandte Garth ein. »Cavors Männer haben sich sicherlich bereits auf den Weg nach Süden gemacht. Bis deine Nachricht eintrifft, sind sie wahrscheinlich schon bei ihr.«
»Aber noch sind sie doch nicht dort, oder?« fragte Ravenna.
Sie hatte rote Wangen bekommen, und
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