Der Herr des Traumreichs
Schreibstube des Aufsehers und schlug erleichtert die Tür hinter sich zu. Bei den Göttern! Dieser Gestank! Und dazu dieser Schmutz! Innerlich verfluchte er Maximilian. Wäre der verdammte Prinz nicht ausgebrochen, dann hätte er, Cavor, sich den erniedrigenden Besuch in diesem Dreckloch sparen können. Dies war keine Umgebung für einen König. Er schäumte vor Wut.
Er setzte sich an Fursts Schreibtisch und lehnte sich so weit zurück, daß er nur noch auf den hinteren Stuhlbeinen schaukelte. »Nun, Hauptmann Egalion? Was habt Ihr unternommen, um diesen Verbrecher zu finden? Wann wird mein Befehl ausgeführt?«
Im Raum befanden sich drei Offiziere der Königlichen Garde, alle waren bewaffnet und trugen blitzende Harnische mit dem blauen Manteceros-Wappen. Der Offizier zur Rechten, ein hochgewachsener Mann mit dichtem blondem Haar, auf dessen breiten Schultern die rotgoldenen Epauletten des Befehlshabers prangten, trat vor und salutierte. »Sire. Im nördlichen Escator könnte sich keine Mücke von einem Ort zum anderen bewegen, ohne von uns bemerkt zu werden.« In den letzten drei Tagen waren alle Gebiete nördlich von Ruen unter ein strenges Kriegsrecht gestellt worden, das wie eine dicke Decke alles Leben erstickte. Man hatte eine nächtliche Ausgangssperre verhängt und ließ alle Straßen überwachen.
Cavors Nüstern bebten, und der Hauptmann verbarg sein Erschrecken. »Was kümmern mich die Mücken, Mann? Ich will nichts anderes, als daß dieser Gefangene gefunden wird.«
Er sprach leise, aber mit einem drohenden Unterton, der Egalion nicht entging. Seit Aufseher Furst den Frieden des Hofes gestört hatte, war mit dem König nicht zu spaßen. »Sire.
Wenn er sich bewegt, werden wir ihn finden. Seit dem Ausbruch kann er unmöglich weiter nach Süden gekommen sein als bis nach Ruen, es sei denn, er hätte ein Schiff genommen – und wir haben alle Kutter, die an der Küste auf und ab fahren, dreifach durchsucht. Er muß sich noch in der Nordhälfte von Escator befinden – es sei denn, er wäre noch über Surinam hinaus nach Norden gezogen.«
Cavor kippte den Stuhl noch weiter nach hinten und sah den ranghöchsten Offizier im Reich starr an. Der Mann fragte sich sicher, warum man von ihm verlangte, daß er die Arbeit eines Polizisten tat; sollte er sich doch den Kopf zerbrechen. »Nein.
Er ist noch hier. Irgendwo.« Maximilian will natürlich Anspruch auf den Thron erheben, dachte Cavor. Er wird das Reich nicht verlassen. Das läßt sein verdammter Persimius-Stolz nicht zu.
Ein Gedanke, noch ungeformt, ging ihm im Kopf herum, aber er war zu sehr damit beschäftigt, seinen Zorn, seine Hilflosigkeit und, ja, zugegeben, seine Angst an Egalion und seinen Untergebenen auszulassen, um sich näher damit zu befassen. »Was habt Ihr von den Wärtern erfahren, die auf Sohle zweihundertfünf eingesetzt waren?« schrie er und musterte den Hauptmann mit eisigem Blick.
Egalion bemühte sich um einen sanften Gesichtsausdruck, der nichts von seinen Gefühlen verriet. Cavor war bisher immer ein gerechter Herrscher gewesen – was war geschehen, das er so außer sich geriet? Wer war dieser Sträfling?
»Wir haben sie alle verhört, Sire.« Es waren grausame, sehr grausame Verhöre gewesen, denn Cavor hatte befohlen, mit allen Mitteln sicherzustellen, daß die Wärter die reine Wahrheit sagten und nichts verschwiegen. Egalion war überzeugt, daß keiner von den Leuten jemals wieder in den Adern – oder irgendwo sonst – werde arbeiten können. »Aber ihre Aussagen machen alles nur noch rätselhafter. Sie faseln von Träumen und Nebeln, von Hexen und lieblichen Gesängen. Man kann nichts damit anfangen.« Der Hauptmann gestattete sich, ein wohl berechnetes Maß an Ärger und Enttäuschung zu zeigen. »Nichts.«
Cavor starrte den Mann lange an. War hier womöglich Magie im Spiel? In Escator gab es nur wenige fähige Zauberer. Sehr wenige. Die Augen des Königs wurden zu schmalen grauen Schlitzen. Wer käme dafür in Frage?
Egalion hatte seine Fassung wiedergewonnen. Immerhin hatte er noch eine einzige gute Nachricht für den König.
»Draußen wartet einer der altgedienten Wärter, Sire. Der Mann hatte Baxtor und seinen Sohn offenbar öfter begleitet als alle anderen. Ich habe ihn bis zuletzt aufgespart, weil ich dachte, Ihr wolltet Euch an seinem Verhör beteiligen, äh, ich meinte natürlich, zugegen sein.«
Cavor lächelte, aber sein Blick blieb eisig. »Gut. Die Baxtors sind anscheinend der Schlüssel zu diesem
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