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Der Herr des Traumreichs

Der Herr des Traumreichs

Titel: Der Herr des Traumreichs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Douglass
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Rätsel. Wie heißt der Wärter?«
    »Jack, Sire.«
    Joseph strich behutsam mit beiden Händen über Maximilians Oberarm. Der Zustand des Prinzen hatte sich dramatisch verschlechtert. Sein Atem ging flach und rasselnd, seine Wangen glühten, die Augen waren matt und teilnahmslos.
    Ravenna saß am Kopfende des Bettes und kühlte ihm mit einem wassergetränkten Tuch die Stirn. Er schien sie nicht einmal wahrzunehmen.
    Joseph durchlief ein Zittern. Er zog die Hände zurück und blickte zu Vorstus und Garth auf, die neben ihm standen; beide blickten tief besorgt. »Es brennt… es wütet … unter dem Narbengewebe«, sagte er leise. »Es zerfrißt ihn, es entzieht ihm alle Energie und alle Willenskraft und raubt ihm die Hoffnung. Wir müssen rasch handeln, sonst ist Maximilian nur noch eine leere Hülle, die dem Fieber bald zum Opfer fallen wird.«
    »Was hat das zu bedeuten?« Ravennas Stimme klang heiser vor Angst. »Warum kämpft das Mal gerade jetzt um seine Freiheit… nach so vielen Jahren?« Ihre Augen waren sehr hell geworden.
    Joseph holte tief Atem. »Ich kann nur spekulieren, Ravenna.
    Maximilian hatte in all diesen Jahren seine Identität verleugnet. Unterdrückt. Und deshalb ruhte das Mal. Aber seit… seit er sich allmählich eingesteht, wer er ist, drängt es ans Licht. Vorstus? Ihr wißt mehr über die Tinte und das Mal des Manteceros als jeder andere – habe ich recht?«
    Vorstus nickte. »Ich hätte es nicht besser erklären können.
    Das Mal läßt sich nicht verleugnen, es sei denn, der Träger verleugnete es selbst. Joseph, Garth, Ihr müßt das Narbengewebe entfernen. Legt das Mal frei… vielleicht findet Maximilian dann den Mut, auch den Manteceros freizusetzen.«
    Garth stockte der Atem. Eine Operation? Nur selten ging ein Heiler ein solches Wagnis ein; chirurgische Eingriffe waren nie ganz ungefährlich. Selbst mit ›heilenden Händen‹ konnte man den Kranken nicht immer vor dem unvermeidlichen Schock, dem Schmerz und allzuoft auch einer Entzündung bewahren. Doch was hatten sie für eine Wahl? Sollten sie zusehen, wie Maximilian vor ihren Augen innerlich verbrannte?

    Joseph nickte seinem Sohn kurz zu, ein Zeichen, daß er seine Bedenken zur Kenntnis genommen hatte. »Vorstus? An welchem Ort hat der Orden einst das Mal in Maximilians Arm geritzt? Wenn wir die Stelle finden können, wo die Zeichnung ursprünglich aufgetragen wurde…«
    Er brach ab, aber Vorstus hatte bereits verstanden. »… wären seine Aussichten vielleicht besser? Ja, Joseph, Ihr habt recht.
    Die Zeichnung eines Erben findet immer an einem Ort statt, der mit Magie gesättigt und hinter einem dichten Zauberschleier verborgen ist – wir kennen ihn nur als den Pavillon. Bei der Zeremonie selbst ist der Persimius-Orden vollzählig anwesend, um Zeugnis zu geben und das Zeremoniell mit seiner Macht zu unterstützen. Aber« – ein keuchender Atemzug, seine Züge erschlafften – »selbst wenn ich meine sämtlichen Ordensbrüder hierherholen könnte – und dafür fehlt uns die Zeit –, wäre es sinnlos. Der Pavillon ist…«
    Vorstus zögerte, rang nach Worten. »Der Pavillon existiert in einer eigenen Welt. Nicht in der unseren.« Seine weit ausholende Gebärde schloß nicht nur den Raum, sondern den ganzen Wald mit ein. »Es gibt nur zwei Anlässe, zu denen er in diese Welt eintritt. Wenn ein Erbe gezeichnet wird und wenn dieser Erbe den Thron einfordert.« Er sah auf den nahezu bewußtlosen Maximilian hinab. Sein Gesicht zuckte, das Fieber gewann immer mehr Macht über ihn. »Zu keinem anderen Zweck kann man ihn rufen. Nicht einmal um das Leben des Erben zu retten.«
    Garth sah den Mönch entschlossen an. »Dann muß Maximilian eben den Thron fordern!« Was mochte das wohl für ein Pavillon sein, von dem Vorstus da faselte?
    Vorstus lächelte bitter. »Maximilian? Im Augenblick könnte Maximilian keine Fliege erschlagen, Garth, viel weniger eine Forderung vorbringen. Ich hatte bisher nicht erkannt, wie fest er sich im Griff dieser Narbe befindet.«

    Ravenna hatte schweigend dabeigesessen und das Gerede über den Pavillon an sich vorüberrauschen lassen. Nun legte sie den nassen Lappen beiseite, mit dem sie Maximilians Stirn gekühlt hatte, und faltete die Hände im Schoß. Ihr Gesicht war ruhig und wunderschön; die Augen waren so weiß wie das Laken, mit dem sie Maximilian zugedeckt hatten.
    »Ihr habt recht, Vorstus. Der Pavillon erscheint nur aus zwei Gründen in dieser Welt: um einen Erben zu zeichnen und um ihm die

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