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Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Titel: Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Hitchens
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anerkannten Religion in Italien wurde und eine monopolistische Macht über Fragen wie Geburt, Ehe, Tod und Ausbildung erhielt. Im Gegenzug drängte er seine Anhänger, Mussolinis Partei zu wählen. Papst Pius XI. befand, den Duce (»Führer«) habe die Vorsehung geschickt. Wahlen spielten zwar in Italien auf lange Zeit keine Rolle mehr, doch die Kirche betrieb die Auflösung katholischer Zentrumsparteien und unterstützte eine Pseudopartei namens »Katholische Aktion«, die in mehreren anderen Ländern Nachahmer fand. In ganz Südeuropa war die Kirche ein verlässlicher Verbündeter der Faschisten und half bei der Einsetzung faschistischer Regimes in Spanien, Portugal und Kroatien. General Franco in Spanien durfte seine Invasion und die Absetzung der gewählten Regierung mit dem großartigen Titel La Crujada, »Kreuzzug«, verbrämen. Mussolinis Versuch, mit einem Einmarsch in Libyen, Abessinien (heute Äthiopien) und Albanien einen Abklatsch des Römischen Reichs zu errichten, wurde vom Vatikan unterstützt oder zumindest nicht kritisiert. Immerhin lebten in diesen Ländern entweder Nicht-Christen oder wie in Osteuropa die falschen Christen. Den Einsatz von Giftgas und andere grausame Maßnahmen in Abessinien rechtfertigte Mussolini gar mit dem Hinweis auf das hartnäckige Festhalten seiner Bewohner am Monophysitismus, der die eine Natur Christi betont und von Papst Leo und dem Konzil von Chalkedon 451 verdammt worden war.
    In Mittel- und Osteuropa stellte sich die Lage kaum besser dar. Der Militärputsch der extremen Rechten in Ungarn unter Admiral Horthy wurde von der Kirche ebenso begrüßt wie ähnliche faschistische Bewegungen in der Slowakei und in Österreich. (Das nationalsozialistische Marionettenregime in der Slowakei wurde sogar von dem Geistlichen Jozef Tiso geführt.) Der österreichische Kardinal begrüßte begeistert den »Anschluss« seines Landes durch Hitler.
    In Frankreich eignete sich die extreme Rechte den Slogan »Meilleur Hitler que Blum« an – lieber wollte man den deutschen rassistischen Diktator als den gewählten französischen sozialistischen Juden. Katholische Faschistenorganisationen wie Charles Maurras’ Action Française und das Croix de Feu kämpften mit aller Macht gegen die französische Demokratie und machten keinen Hehl aus ihrer Abneigung, wodurch sich der Niedergang, der Frankreich seit der Aufhebung des Urteils gegen den jüdischen Hauptmann Alfred Dreyfus im Jahr 1899 erfasst hatte, ungehindert fortsetzte. Als die Deutschen Frankreich eroberten, halfen diese Kräfte eifrig bei der Verhaftung und Ermordung französischer Juden sowie bei der Deportation vieler weiterer Franzosen in die Zwangsarbeit. Das Vichy-Regime machte Zugeständnisse an die Geistlichkeit, indem es den Wahlspruch von 1789 – Liberté, Egalité, Fraternité- aus der Öffentlichkeit verbannte und durch das christliche Ideal Familie, Travail, Patrie ersetzte. Selbst in einem Land wie England, in dem sich die Sympathie für den Faschismus in Grenzen hielt, zog er dank katholischer Intellektueller wie T. S. Eliot und Evelyn Waugh in durchaus respektablen Kreisen ein ansehnliches Publikum an.
    Die Blauhemdbewegung General O’Duffys im angrenzenden Irland, die zur Unterstützung Francos Freiwillige nach Spanien schickte, war völlig von der katholischen Kirche abhängig. Noch im April 1945 setzte sich Präsident Eamon de Valera, nachdem er die Nachricht vom Tode Hitlers erhalten hatte, seinen Zylinder auf, ließ seine Staatskarosse vorfahren und begab sich zur deutschen Botschaft in Dublin, um zu kondolieren. Diese und ähnliche Haltungen führten dazu, dass eine ganze Reihe katholisch dominierter Staaten von Irland bis nach Spanien den Vereinten Nationen nach deren Gründung zunächst nicht beitreten durften. Die Kirche hat sich bemüht, sich dafür zu entschuldigen, doch ihre Komplizenschaft mit dem Faschismus ist ein bleibender Makel in ihrer Geschichte. Dabei handelte es sich nicht so sehr um ein kurzfristiges Engagement, sondern vielmehr um eine feste Allianz, die erst zerbrach, als die faschistische Ära ihrerseits Geschichte geworden war.
    Die Kapitulation der Kirche vor dem deutschen Nationalsozialismus verlief ungleich komplizierter, war aber kaum erhebender. Obwohl der Vatikan zwei wichtige Prinzipien mit Hitlers Bewegung gemein hatte – den Antisemitismus und den Antikommunismus – war ihm bald klar, dass der Nationalsozialismus auch für ihn eine Gefahr darstellte. Erstens handelte es sich um

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