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Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Titel: Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Hitchens
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eine quasiheidnische Bewegung, die langfristig das Christentum durch pseudonordische Blutriten und auf der angeblichen Überlegenheit der arischen Rasse gründende finstere Rassenmythen ersetzen wollte. Zweitens strebten die Nationalsozialisten die Vernichtung der Kranken, Versehrten und Geisteskranken an, und zwar nicht unter den Juden, sondern unter den Deutschen. Es war ein Verdienst der Kirche, dass sie die Euthanasie von deutschen Kanzeln schon sehr früh ablehnte.
    Hätte sich der Vatikan durchweg vom ethischen Prinzip leiten lassen, so hätte er sich nicht die nächsten fünfzig Jahre vergeblich um eine Erklärung und Entschuldigung für seine verachtenswerte Passivität und Trägheit bemühen müssen. »Passivität« und »Trägheit« sind an dieser Stelle vielleicht sogar die falschen Begriffe. Wer beschließt, nichts zu tun, hat eine Entscheidung getroffen und vertritt eine Linie, und die Anpassung der Kirche in Form einer Realpolitik, deren Ziel es war, nicht etwa den Nationalsozialismus zu besiegen, sondern sich darin einzurichten, lässt sich leicht nachweisen und erklären.
    Die erste diplomatische Übereinkunft, die Hitlers Regierung am 8. Juli 1933, wenige Monate nach der Machtergreifung, traf, war ein Vertrag mit dem Vatikan. Im Gegenzug für die unangefochtene Kontrolle über die Erziehung katholischer Kinder in Deutschland, die Einstellung der Nazipropaganda gegen Missbrauchsfälle in katholischen Schulen und Waisenhäusern und das Zugeständnis weiterer Privilegien an die Kirche ordnete der Heilige Stuhl die Auflösung der katholischen Zentrumspartei an und befahl den Katholiken knapp, sich jeglicher politischen Aktivität in allen Bereichen zu enthalten, die das Regime für tabu zu erklären gedachte. In der ersten Kabinettssitzung nach Unterzeichnung dieser Kapitulation sagte Hitler, diese neuen Umstände seien vor allem im Kampf »gegen das internationale Judentum besonders bedeutungsvoll«. [FUSSNOTE63]
    Damit hatte er völlig recht. Wahrscheinlich konnte er sein Glück gar nicht fassen: Zweiunddreißig Millionen Katholiken, die unter dem Dritten Reich lebten und von denen viele Widerstand gegen den Aufstieg des Nationalsozialismus geleistet und große Zivilcourage bewiesen hatten, waren als politische Kraft ausgeschaltet. Ihr eigener Heiliger Vater hatte ihnen aufgetragen, dem schlimmsten Diktator der Menschheitsgeschichte freie Hand zu gewähren. Ab diesem Zeitpunkt wurden dem Staat die Kirchenbücher zugänglich gemacht, um festzustellen, wer nicht »rassisch rein« genug war, um der Verfolgung unter den Nürnberger Gesetzen zu entkommen.
    Eine nicht weniger furchtbare Folge dieser Kapitulation war der moralische Kollaps der deutschen Protestanten, die einem Sonderstatus für Katholiken zuvorkommen wollten, indem sie dem »Führer« auf ihre Art entgegenkamen. Keine der protestantischen Kirchen ging allerdings so weit wie die katholische Hierarchie, die sogar Feiern zu Hitlers Geburtstag am 20. April anordnete. Auf päpstliche Anweisung gestattete sich der Kardinal von Berlin an diesem Jubeltag zudem, »namens der Oberhirten aller Diözesen Deutschlands Ihnen die herzlichsten Glückwünsche darzubringen. Es geschieht dies im Verein mit den heißen Gebeten, die die Katholiken Deutschlands am 20. April an den Altären für Volk, Heer und Vaterland, für Staat und Führer zum Himmel senden.« Der Anweisung wurde gewissenhaft Folge geleistet.
    Der Fairness halber sei erwähnt, dass diese skandalöse Tradition erst 1939 ins Leben gerufen wurde, dem Jahr also, in dem der Papst wechselte. Und der Fairness halber sei hinzugefügt, dass Papst Pius XI. stets die größten Zweifel am Hitler-System und seinem offenkundigen Hang zu radikaler Bösartigkeit hegte. So zog sich der Heilige Vater, als Hitler zum ersten Mal Rom besuchte, demonstrativ aus der Stadt in seine päpstliche Sommerresidenz zurück. Doch dieser kranke und schwache Papst war die gesamten Dreißigerjahre hindurch von seinem Staatssekretär Eugenio Pacelli hintergangen worden. Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass mindestens eine päpstliche Enzyklika, in der die Besorgnis über die Misshandlung der Juden Europas wenigstens andeutungsweise zum Ausdruck kam, von Seiner Heiligkeit vorbereitet, von Pacelli, der eine andere Strategie im Sinn hatte, aber zurückgehalten wurde. Heute kennen wir Pacelli als Papst Pius XII., der nach dem Tod seines Vorgängers im Februar 1939 ins Amt kam. Vier Tage nach seiner Wahl durch das Konklave

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