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Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Titel: Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Hitchens
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sich der urzeitliche Puritanismus der Taliban, die sich ganz der Aufgabe verschrieben, etwas zu finden, das sie verbieten konnten – von Musik bis hin zu Recyclingpapier, das einen winzigen Fetzen eines entsorgten Korans enthalten könnte, war alles möglich – und die immer neue Methoden der Bestrafung ersannen, etwa das Begraben Homosexueller bei lebendigem Leib. Die Alternative zu diesen grotesken Phänomenen ist nicht etwa die Schimäre der säkularen Diktatur, sondern das Eintreten für den säkularen Pluralismus und das Recht auf Unglauben. Das ist mittlerweile eine dringliche und unerlässliche Pflicht – eine überlebenswichtige.

Kapitel achtzehn:

Eine edlere Tradition:
Die Vernunft setzt sich zur Wehr

Ich gehöre somit zu den wenigen Menschen in diesem Lande, die den religiösen Glauben nicht etwa aufgegeben haben, sondern ihn nie hatten. ...Dieser Umstand hatte übrigens eine abträgliche Folge in meiner frühen Erziehung, die erwähnenswert ist. Da er mir eine Meinung vermittelte, die derjenigen der Welt widersprach, hielt es mein Vater für notwendig, sie mir als eine solche mitzuteilen, zu der ich mich klugerweise auch nicht vor aller Welt bekennen solle. Diese Lektion, meine Gedanken bereits in jungen Jahren für mich zu behalten, hatte einige nachteilige moralische Begleiterscheinungen.
    John Stuart Mill, Autobiography

    Le silence éternel de ces espaces infinis m’effraie.
    (Das ewige Schweigen dieser unendlichen Räume macht mich schaudern.)
    Blaise Pascal, Pensées

    Das Buch der Psalmen ist bisweilen recht irreführend. Der bekannte Beginn von Psalm 121 beispielsweise – »Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt die Hilfe?« – hat im Original die Form einer Frage, während er im Englischen als Aussage daherkommt: »... zu den Bergen, wo Hilfe herkommt«. (Keine Bange: Die aalglatte Antwort auf diese Frage lautet, dass die Gläubigen gegen alles Leid und alle Gefahren gefeit sind.) Egal wer der Psalmist nun war, die Schönheit und Eleganz von Psalm 14 gefielen ihm offenbar so gut, dass er ihn in Psalm 53 fast wörtlich noch einmal aufgreift. Beide beginnen mit der Aussage: »Die Toren sprechen in ihrem Herzen: >Es ist kein Gott.<« Aus welchem Grunde auch immer wird diese Bemerkung als so wichtig erachtet, dass sie in der religiösen Apologie immer wieder auftaucht. Aus der ansonsten unsinnigen Feststellung lässt sich nur ableiten, dass der Unglaube – nicht nur die Häresie und die Apostasie, sondern der Unglaube – schon in jener weit zurückliegenden Epoche bekannt war. Wenn man berücksichtigt, dass die Herrschaft des Glaubens mit seinen brutalen Strafen damals uneingeschränkt und unangefochten war, wäre wohl eher derjenige ein Tor gewesen, der seine Folgerungen nicht tief in seinem Herzen verborgen hätte, wobei es in diesem Falle interessant wäre zu erfahren, woher der Psalmist es dann überhaupt wusste. Nicht umsonst sperrte man in der Sowjetunion Dissidenten wegen »reformistischer Wahnvorstellungen« ins Irrenhaus, weil die Vernunft den Schluss nahelegte, dass jemand, der verrückt genug war, Reformen anzuregen, jeglichen Selbsterhaltungstrieb eingebüßt hatte.
    Unserer Spezies werden die Toren nicht ausgehen, doch ich wage die Behauptung, dass es mindestens so viele leichtgläubige Idioten gegeben hat, die ihren Glauben an Gott bekannten, wie Tölpel und Einfaltspinsel, die zu einem anderen Ergebnis gelangten. Es wäre wohl vermessen zu behaupten, dass Intelligenz und Neugier aufseiten der Atheisten wahrscheinlicher ist, doch zumindest haben zu allen Zeiten Menschen darauf hingewiesen, wie unwahrscheinlich Gott ist, wie viel Böses in seinem Namen getan wird, dass er sehr wahrscheinlich vom Menschen geschaffen wurde und dass es durchaus harmlosere Überzeugungen und Erklärungen gibt. Die Namen dieser Männer und Frauen kennen wir nicht, weil sie zu allen Zeiten und allerorten rücksichtslos unterdrückt wurden. Aus dem gleichen Grund wissen wir auch nicht, wie viele nach außen hin fromme Menschen insgeheim ungläubig waren. Noch im 18. und 19. Jahrhundert hielten es in so vergleichsweise freien Ländern wie Großbritannien und den USA wohlsituierte und begüterte Atheisten wie James Stuart Mill und Benjamin Franklin für ratsam, ihre Ansichten für sich zu behalten. Wenn wir daher von der Schönheit »christlicher« Malerei und Architektur oder von den Errungenschaften »islamischer« Astronomie und Medizin lesen, sind zivilisatorische und kulturelle

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