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Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Titel: Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Hitchens
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Buch Natural Theology . Dort begegnen wir einem einfachen Menschen, der über eine tickende Uhr stolpert. Er weiß nicht, wozu sie gut ist, erkennt aber, dass es sich nicht um einen Stein oder eine Pflanze handelt, sondern um etwas, das künstlich hergestellt wurde, und zwar zu einem bestimmten Zweck. Diese Analogie übertrug Paley auf die Natur und den Menschen. Seine verschrobene Selbstzufriedenheit trägt auch ein von Paley beeinflusster viktorianischer Geistlicher in J.G. Farrells Roman The Siege of Krishnapur zur Schau:
    »Wie erklären Sie den raffinierten Mechanismus des Auges, welches so unendlich viel komplexer ist als das einfache Fernrohr, das die erbärmliche Menschheit erfunden hat? Wie erklären Sie das Aalauge, das verletzt werden könnte, wenn sich das Tier in Schlamm und Steine gräbt, und daher von einer durchsichtigen Hornhaut überzogen ist? Woran liegt es, dass sich die Iris eines Fischauges nicht zusammenzieht? Ach, du armer, törichter Bursche, das liegt daran, dass das Fischauge von Ihm geschaffen wurde, der über alles wacht, damit es dem schwachen Lichte des Wassers angepasst ist, in dem der Fisch sein Zuhause hat! Wie erklären Sie den Hirscheber?« rief er. »Wofür, meinen Sie, wachsen ihm die beiden gebogenen Hauer knapp einen Meter lang aus dem Oberkiefer?« »Damit er sich verteidigen kann?« »Nein, Mann er hat die beiden Hauer zu demselben Zweck wie der gemeine Eber, dem sie aus dem Unterkiefer wachsen. ...Die Antwort lautet, dass das Tier stehend schläft, und zum Abstützen des Kopfes verankert es die oberen Hauer in den Ästen eines Baumes..., denn der Gestalter der Welt hat sich sogar über das Nickerchen des Ebers Gedanken gemacht!«
    Warum der Gestalter der Welt so viele seiner menschlichen Kreaturen dazu brachte, besagten Eber zu behandeln wie einen Dämon oder einen Aussätzigen, bequemte sich Paley nicht zu erklären. John Stuart Mill kam der Sache mit seinen Betrachtungen zur natürlichen Ordnung erheblich näher. Wenn man nur einen geringen Teil der Mühe, mit der nach Anzeichen für einen allmächtigen und gütigen Gott geforscht würde, darauf verwendete, nach der düsteren Seite des Schöpfers zu suchen, so schrieb Mill, dann würde man feststellen, dass im Tierreich die einen fressen und die anderen gefressen werden, wobei die meisten Raubtiere großzügig mit Werkzeugen ausgestattet seien, ihre Beute zu quälen.
    Nun, da den Amerikanern, zumindest vorläufig, per Gerichtsentscheid erspart wurde, dass ihren Kindern im Klassenzimmer die reine Dummheit eingepflanzt wird, können wir mit den Worten des anderen großen Viktorianers Lord Macaulay behaupten, »jedes Schulkind« wisse, dass Paley seinen quietschenden und knarrenden Karren vor die klapprige Schindmähre gespannt hatte. Fische haben keine Flossen, weil sie im Wasser welche brauchen, und auch Vögel sind nicht mit Flügeln ausgestattet, um der Lexikondefinition der Flugtauglichkeit zu entsprechen – einmal abgesehen davon, dass es viele flugunfähige Vogelarten gibt. Es ist genau andersherum: Es findet eine allmähliche Anpassung und Auslese statt. Doch unterschätzen wir nicht die Macht der einstigen Illusion. Whittaker Chambers berichtet in seinem Buch Witness von dem Moment, in dem er den historischen Materialismus verwarf, sich innerlich von der kommunistischen Sache löste und der Vernichtung des Stalinismus in Amerika verschrieb. Es geschah an dem Morgen, an dem er das Ohr seiner kleinen Tochter betrachtete. Die winzigen Windungen und Falten dieses Öhrchens lösten in ihm die blitzartige Erkenntnis aus, dass es kein Produkt des Zufalls sein konnte. Ein Sinnesorgan von solcher Schönheit müsse etwas Göttliches sein. Nun, auch ich habe die wonnigen kleinen Lauscher meines weiblichen Nachwuchses des Öfteren bewundert, wobei mir allerdings jedes Mal auffiel, dass sie a) eine kleine Reinigung durchaus vertragen konnten, dass sie b) selbst im Vergleich mit den weit unterlegenen Ohren anderer Leute Töchter nach einem Massenprodukt aussahen, dass c) mit wachsendem Alter des Menschen seine Ohren zunehmend lächerlich werden und dass d) primitivere Tiere wie Katzen oder Fledermäuse nicht nur erheblich faszinierendere und hübschere Ohren haben, sondern auch besser damit hören. Um auf Laplace zurückzugreifen, würde ich sogar behaupten, dass es viele, viele überzeugende Argumente gegen die Stalinverehrung gibt und dass die antistalinistische Sache auch ohne Mr. Chambers' Ohrläppchenvergleich vollkommen

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