Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet
gerechtfertigt ist.
Ohren sind berechenbar und einheitlich, und die Ohrläppchen sind bei der Geburt eines taub zur Welt gekommenen Kindes nicht weniger verehrungswürdig. Das gilt durchaus nicht im gleichen Maße für das Universum. Hier gibt es Anomalien, Rätsel und Unzulänglichkeiten – um es einmal gelinde auszudrücken –, die nicht einmal Anpassung, geschweige denn Auslese erkennen lassen. Thomas Jefferson verwendete als alter Mann für sich selbst gern die Metapher des Chronometers. Freunden, die sich nach seiner Gesundheit erkundigten, schrieb er, hin und wieder gebe eben eine Feder oder ein Rädchen den Geist auf. Das legt natürlich die für Gläubige unbequeme Vorstellung eines Konstruktionsfehlers nahe, den kein Handwerker reparieren kann. Sollte man auch das als Teil der »Gestaltung« betrachten? (Wer den Applaus für die Gewinnseite der Bilanz einheimst, schaut, wenn die Verlustseite zur Sprache kommt, wie üblich betreten zu Boden.) Doch wenn wir uns das Weltall mit seinen roten Riesen, weißen Zwergen, schwarzen Löchern und gigantischen Explosionen ansehen, können wir nur schaudernd zu dem vagen Schluss gelangen, dass dort noch keine richtige »Gestaltung« stattgefunden hat. Dann fragen wir uns, wie sich wohl die Dinosaurier »gefühlt« haben, als Meteoriten durch die Atmosphäre stürzten und den seelenlosen Rivalenkämpfen in den urzeitlichen Sümpfen ein Ende bereiteten.
Schon die ersten Erkenntnisse über die verhältnismäßig beruhigende Symmetrie des Sonnensystems mit ihrem dennoch deutlichen Hang zur Instabilität und Entropie erschütterten Sir Isaac Newton dermaßen, dass er annahm, Gott greife hin und wieder ein, um die Umlaufbahnen wieder in Ordnung zu bringen. Das brachte ihm die spöttische Rückfrage von Leibniz ein, warum Gott das Ganze nicht gleich richtig geplant habe. Es liegt vor allem an dieser erschreckenden Leere des Universums, dass die einzigartigen Bedingungen, die intelligentes Leben auf unserer Erde erst ermöglichen, solchen Eindruck auf uns machen. Aber das ist angesichts unserer Eitelkeit ja auch kein Wunder, stimmt’s? Eitel, wie wir nun einmal sind, nehmen wir auch nicht zur Kenntnis, dass es auf den anderen Himmelskörpern unseres Sonnensystems viel zu kalt oder viel zu heiß ist, als dass dort Leben entstehen könnte. Dasselbe gilt für unseren blauen Heimatplaneten, auf dem mal die Hitze, mal die Kälte weite Gebiete in nutzlose Einöde verwandelt und wir gelernt haben, klimatisch immer auf des Messers Schneide zu leben. Die Sonne rüstet sich unterdessen dafür, in einer gewaltigen Explosion ihre Planeten zu verschlingen wie ein eifersüchtiger Häuptling oder eine primitive Gottheit. Ein wahrhaft intelligentes Design!
So weit die Makrodimension. Wie aber steht es mit dem Mikrokosmos? Seit sie sich mit dieser Frage herumschlagen müssen, betonen die Vertreter der Religionen in Anlehnung an Hamlets Worte zu Horatio dass es im Himmel und auf Erden mehr Dinge gibt, als der einfache Mensch sich träumt. Wir Atheisten sehen das genauso: Wir müssen auf Entdeckungen gefasst sein, die uns intellektuell noch stärker erschüttern als die gewaltigen Wissensfortschritte seit Darwin und Einstein. Auch diese Entdeckungen aber werden das Ergebnis geduldiger, sorgfältiger und (diesmal hoffentlich) ungehinderter Forschung sein. Unterdessen müssen wir unseren Verstand schärfen, um in mühevoller Kleinarbeit die neusten Dummheiten zu widerlegen, die von den Gottesleuten ausgeheckt werden. Als im 19. Jahrhundert die ersten Knochen urzeitlicher Tiere entdeckt und untersucht wurden, hieß es, Gott habe die Fossilien in das Gestein gebracht, um unseren Glauben auf die Probe zu stellen. Das lässt sich nicht widerlegen. Ebenso wenig wie meine Lieblingstheorie: Alle Verhaltensmuster, die auf der Erde zu beobachten sind, deuten daraufhin, dass unser Planet ohne unser Wissen als Gefängniskolonie und Irrenanstalt für überlegene Zivilisationen aus den unendlichen Weiten des Weltalls dient, die hier ihren Schrott abladen. Aber von Karl Popper weiß ich, dass eine Theorie, die sich nicht falsifizieren lässt, insoweit eine schwache Theorie ist.
Nun erfahren wir, dass ein faszinierendes Organ wie das menschliche Auge sozusagen nicht dem »blinden« Zufall entspringen kann. Damit hat die Fraktion des »Intelligent Design« ein unschlagbares Beispiel gewählt.
Das Auge ist heute sehr gut erforscht, und man weiß, welche Lebewesen Augen haben und welche nicht. Ich möchte hier
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