Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet
meinen Freund Dr. Michael Shermer zu Wort kommen lassen:
Die Evolution postuliert auch, dass heute existierende Organismen eine Strukturenvielfalt aufweisen sollten, die nicht auf eine abrupte Schöpfung, sondern auf eine evolutionäre Geschichte schließen lässt. Das menschliche Auge zum Beispiel steht am Ende eines langen und komplexen Weges, der mehrere Hundert Millionen Jahre in die Vergangenheit reicht. Anfangs versorgte ein einfaches Flachauge, bestehend aus einer Handvoll lichtempfindlicher Zellen, den Organismus mit Informationen über eine Lichtquelle. Es entwickelte sich weiter zu einem Becherauge, bei dem eine kleine Vertiefung mit lichtempfindlichen Zeilen zusätzliche Informationen zur Umgebung vermittelt. Dann kommt ein Auge, das wie eine Lochkamera aufgebaut ist und ein gebündeltes Bild auf eine Schicht lichtempfindlicher Zellen dahinter werfen kann. Anschließend entwickelte sich das Linsenauge, das in der Lage ist, das Bild zu fokussieren, und dann das komplexe Auge der Säugetiere und des Menschen heute.
Alle Zwischenstadien dieser Entwicklung wurden bereits an anderen Lebewesen nachgewiesen, und man hat hoch entwickelte Computermodelle erstellt, die diese Theorie überprüft und bestätigt haben. Shermer nennt einen weiteren Beweis für die Evolution des Auges: die Unzulänglichkeit seiner »Gestaltung«.
In der Anatomie des menschlichen Auges ist alles Mögliche erkennbar, nur kein »intelligentes Design«. Es ist verkehrt herum und von hinten nach vorne konstruiert: Die Photonen des Lichts müssen durch die Hornhaut, die Linse, die wässrige Flüssigkeit, Blutgefäße, Ganglienzellen und amakrine Zellen, Horizontalzellen und bipolare Zellen, ehe sie auf lichtempfindliche Stäbchen und Zäpfchen stoßen, die das Lichtsignal in neurale Impulse umwandeln. Diese werden nun zum visuellen Kortex ganz hinten im Gehirn geleitet, wo sie zu einem sinnvollen Bild verarbeitet werden. Warum sollte ein intelligenter Gestalter, der optimales Sehvermögen im Sinn hat, ein Auge konstruieren, das kopfsteht und falsch herum funktioniert? [FUSSNOTE19]
Unsere Kurzsichtigkeit erklärt sich daraus, dass wir uns aus Bakterien ohne Gesichtssinn entwickelt haben, mit deren DNS neuen Erkenntnissen zufolge die unsere viel gemein hat. Diese mangelhafte Optik, verstärkt – dank genialen »Designs« – durch den blinden Fleck auf der Netzhaut, ist dafür verantwortlich, dass höhere Säugetiere früher »mit eigenen Augen Wunder« gesehen haben wollen. Zwar ist in diesen Fällen das Problem an einer anderen Stelle der Hirnrinde angesiedelt, doch dürfen wir nie Charles Darwins Worte vergessen, auch die am höchsten entwickelten Lebewesen trügen noch den »Stempel ihrer niederen Herkunft«.
Shermers Ausführungen will ich noch hinzufügen, dass wir zwar die höchsten und klügsten Tiere sind, dass jedoch die Sehkraft des Adlers schätzungsweise sechzigmal besser ausgebildet ist als unsere und dass eine oft von mikroskopisch kleinen Parasiten ausgelöste Blindheit – wobei die Tierchen ihrerseits an Genialität kaum zu übertreffen sind – zu den ältesten und beklagenswertesten Leiden der Menschheit zählt. Warum bekommt die minderwertige Art das höherwertige Auge oder, im Falle der Katze oder Fledermaus, das bessere Ohr? Der Fischadler kann sich mit großer Zielgenauigkeit auf einen sich schnell bewegenden Fisch stürzen, den er aus großer Höhe unter Wasser ausgemacht hat, wobei er mit den fantastischen Schwingen gewagte Flugmanöver durchführt. Die Fischadler wurden vom Menschen fast ausgerottet, wohingegen der Mensch selbst blind wie ein Wurm auf die Welt kommen und trotzdem zum Beispiel zu einem frommen Methodisten heranwachsen kann.
Charles Darwin schrieb im sechsten Kapitel seines Werks Die Entstehung der Arten :
Die Annahme, dass das Auge mit all seinen unnachahmlichen Einrichtungen: die Linse den verschiedenen Entfernungen anzupassen, wechselnde Lichtmengen zuzulassen und sphärische wie chromatische Abweichungen zu verbessern, durch die natürliche Zuchtwahl entstanden sei, erscheint, wie ich offen bekenne, im höchsten Grade als absurd.
Seither hat sich die Evolution des Auges regelrecht zu einem eigenen Forschungsgebiet ausgewachsen. Warum auch nicht? Es ist absolut faszinierend und nutzbringend zu wissen, dass sich mindestens vierzig, vielleicht sogar sechzig verschiedene Augenformen entwickelt haben, jede auf ihre besondere Weise und doch vergleichbar mit den anderen. Dr. Daniel Nilsson, die
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