Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Titel: Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Hitchens
Vom Netzwerk:
Islamschulen zu blutrünstigen Fehden, die den gegenseitigen Vorwurf der Ketzerei und Gotteslästerung sowie grausame Gewaltakte zwischen Muslimen nach sich ziehen.
    Ich habe mich wirklich um diese Religion bemüht, die mir so fremd ist wie den vielen Millionen anderen Menschen, die nicht nachvollziehen können, dass Gott einen Analphabeten, wenn auch als Vermittler, damit betraute, das »Lesen« einzufordern. Wie schon erwähnt, erwarb ich vor langer Zeit ein Exemplar der Marmaduke-Pickthall-Übersetzung des Korans, der führende Rechtsgelehrte bescheinigen, sie sei die beste englische Annäherung an das Original. Ich habe an unzähligen Versammlungen teilgenommen, vom Freitagsgebet in Teheran bis hin zu Gottesdiensten in den Moscheen von Damaskus, Jerusalem, Doha, Istanbul und Washington, und kann bezeugen, dass die »Lesung« auf Arabisch unter den Zuhörern Verzückung und auch offene Wut auszulösen vermag. Übrigens habe ich auch an Gebetsversammlungen in Malaysia, Indonesien und Bosnien teilgenommen, wo die nicht Arabisch sprechenden Muslime – als Angehörige einer angeblich universellen Religion – die Privilegien der Araber und des Arabischen sowie der arabischen Bewegungen und Regime mit Unmut betrachten. In meinem eigenen Haus habe ich Sayid Hussein Khomeini empfangen, Enkel des Ayatollah und Geistlicher in der heiligen Stadt Kum, und ihm meine Ausgabe des Korans überreicht. Er küsste sie, sprach ausgiebig und voller Verehrung darüber und schrieb zu meiner Unterweisung Koranverse in den Einband, die seines Erachtens den Anspruch seines Großvaters auf die klerikale Macht in dieser Welt widerlegen und dem Mordaufruf gegen Salman Rushdie den Boden entziehen. Wer bin ich, mich in einer solchen Auseinandersetzung zum Richter aufzuspielen? Das Phänomen, dass ein und derselbe Text unterschiedlichen Menschen unterschiedliche Gebote auferlegt, ist mir allerdings aus einem anderen Kontext vertraut. Messen wir der Problematik, die Tiefgründigkeit des Islam zu begreifen, nicht zu viel Wert zu. Wer die Irrtümer einer »offenbarten« Religion versteht, versteht sie alle.
    In den fünfundzwanzig Jahren häufig hitziger Auseinandersetzungen in Washington wurde mir nur einmal Gewalt angedroht. Ich nahm an einem Dinner für Angestellte und Förderer des Weißen Hauses unter Clinton teil. Einer der Anwesenden, ein damals recht bekannter Meinungsforscher und Spendensammler, erkundigte sich nach meiner jüngsten Reise in den Nahen Osten. Er wollte von mir wissen, warum meiner Meinung nach die Muslime nur so »verdammt fundamentalistisch« seien. Ich spulte mein Repertoire an Erklärungen herunter und fügte hinzu, oft werde übersehen, dass der Islam ein relativ junger Glaube sei und daher noch vor Selbstbewusstsein strotze. Die Selbstzweifel, die das Christentum des Westens erfasst hätten, gebe es im Islam nicht. Dazu komme, dass beispielsweise wenig oder keine Beweise für die Existenz Jesu vorlägen, der Prophet Mohammed aber nachweislich historisch sei.
    Nie habe ich erlebt, dass jemand so schnell rot anlief. Der Mann kreischte, Jesus habe mehr Menschen mehr bedeutet, als ich es mir überhaupt vorstellen könne, und es sei unbeschreiblich geschmacklos von mir, so etwas so dahinzusagen. Er zog seinen Fuß zurück, zielte, und nur seine Erziehung – womöglich auch seine christliche Haltung – verhinderten, dass er mir vors Schienbein trat. Umgehend befahl er seiner Frau, mit ihm den Saal zu verlassen.
    Heute glaube ich, ich sollte mich bei ihm entschuldigen. Wir wissen zwar, dass es eine Person namens Mohammed in einem relativ eng gefassten Zeitrahmen und Gebiet sehr wahrscheinlich gab, doch wir stehen vor dem gleichen Problem wie in den vorangegangenen Fällen. Die Berichte zu seinen Taten und Worten wurden viele Jahre später gesammelt und durch Eigeninteresse, Hörensagen und Analphabetentum hoffnungslos verfälscht.
    Die Geschichte klingt auch für den vertraut, der sie noch nicht kennt. Einige Bewohner Mekkas folgten im siebten Jahrhundert einer abrahamischen Tradition und glaubten sogar, ihr Tempel, die Kaaba, sei von Abraham errichtet worden. Der Tempel selbst – ein Großteil der Originaleinrichtung wurde inzwischen von Fundamentalisten, insbesondere Wahhabis, zerstört – soll später von Götzenbildern entehrt worden sein. Mohammed, Sohn des Abdullah, wurde einer jener Hunafa, die »sich abwandten«, um anderswo Trost zu suchen; auch das Buch Jesaja fordert ja die wahren Gläubigen auf, sich von den

Weitere Kostenlose Bücher