Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Titel: Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Hitchens
Vom Netzwerk:
wörtlichen Wortes Gottes ist der Koran nur im ursprünglich offenbarten Text der Koran. Eine Übersetzung kann niemals der Koran sein, jene unnachahmliche Symphonie, >der Klang, der Männer und Frauen zu Tränen rührt<. Eine Übersetzung kann nur versuchen, der Bedeutung der im Koran enthaltenen Worte auf die Spur zu kommen. Aus diesem Grunde rezitieren alle Muslime, egal welcher Muttersprache, den Koran immer im arabischen Original.« [FUSSNOTE34]

    Sodann machen die Autoren höchst abfällige Bemerkungen über die englische Penguin-Übersetzung von D. J. Dawood, die mich aufatmen lassen, weil ich immer die Pickthall-Version verwendet habe, mir aber auch klarmachen, dass ich im Falle eines Übertritts zunächst eine Fremdsprache erlernen müsste. In meinem eigenen Geburtsland, so erinnere ich mich mit Bedauern, gibt es eine wunderschöne poetische Tradition, die sich mir nicht erschließt, weil ich die herrliche Sprache nicht beherrsche: das Keltische. Aber nur einmal angenommen, Gott ist oder war Araber – was durchaus nicht sicher ist –, wie konnte er sich nur einem des Schreibens unkundigen Menschen »offenbaren«, der die Worte unmöglich unverändert, geschweige denn unveränderlich weitergeben konnte?
    Dieser Punkt ist durchaus von Belang. Den Muslimen ist die Verkündigung des Göttlichen an eine völlig ungebildete Person ähnlich wichtig wie den Christen der bescheidene Leib der Jungfrau Maria. Zudem hat diese Offenbarung den praktischen Vorzug, nicht nur nicht beweisbar, sondern auch unwiderlegbar zu sein. Da Maria wahrscheinlich Aramäisch sprach und Mohammed Arabisch, darf man wohl davon ausgehen, dass Gott mehrsprachig ist, ja dass er jede beliebige Sprache sprechen kann. Doch er entschied sich in beiden Fällen, den Erzengel Gabriel als Übermittler seiner Botschaft zwischenzuschalten. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass alle Religionen sich lange standhaft gegen jeden Versuch gewehrt haben, ihre heiligen Texte in die Sprache des Volkes zu übersetzen. Ohne den langen Kampf um die Übersetzung der Bibel in die Volkssprache hätte es keine protestantische Reformation gegeben. Fromme Männer wie Wycliffe, Coverdale und Tyndale wurden für die Anfertigung früher Übersetzungen bei lebendigem Leibe verbrannt. Die katholische Kirche hat sich nie davon erholt, dass sie das mystifizierende lateinische Ritual aufgab, und der Mainstream des Protestantismus hat erheblich unter der Übertragung seiner eigenen Bibeln in die Alltagssprache gelitten. Zwar halten einige mystische jüdische Sekten beharrlich am Hebräischen fest und veranstalten selbst mit dem Spatium zwischen den Buchstaben noch kabbalistische Spielchen, doch auch die meisten Juden haben die vermeintlich unabänderlichen Rituale alter Zeiten aufgegeben. Der Bann der Kleriker ist gebrochen. Nur im Islam hat es keine Reformation gegeben, und bis zum heutigen Tag muss jede landessprachliche Ausgabe des Korans mit dem arabischen Paralleltext abgedruckt werden. Das sollte selbst den Begriffsstutzigsten aufhorchen lassen.
    Die imponierend zügigen, umfangreichen und entschlossenen Eroberungen der Muslime beflügelten in der Folgezeit die Vorstellung, dass die arabischen Beschwörungsformeln Wirkung zeigten. Doch zieht man diese billigen irdischen Siege als Beweise heran, müsste dasselbe für Josuas blutrünstige Stammesbrüder oder die christlichen Kreuzfahrer und Konquistadoren gelten. Und ein weiterer Einwand drängt sich auf: Alle Religionen geben sich große Mühe, Zweifler zum Schweigen zu bringen oder hinzurichten, ein wiederkehrendes Phänomen, das ich geneigt bin, eher als Zeichen der Schwäche zu werten denn als ein Zeichen der Stärke. Es ist bereits geraume Zeit her, seit sich der Judaismus und das Christentum offen der Folter und der Zensur bedienten. Der Islam dagegen hat nicht nur von Anfang an alle Zweifler zu ewigem Höllenfeuer verdammt, sondern er pocht in fast allen seinen Herrschaftsgebieten bis heute auf dieses Recht und proklamiert noch immer, dass ebenjene Herrschaftsgebiete mit kriegerischen Mitteln ausgedehnt werden können und müssen, jeder Versuch, die Behauptungen des Islam anzuzweifeln oder auch nur zu hinterfragen, wird umgehend mit rigoroser Repression beantwortet. Das lässt zumindest den vorläufigen Schluss zu, dass die angebliche Einheit des Glaubens in Wahrheit eine sehr tief sitzende und wahrscheinlich berechtigte Unsicherheit verschleiert. Und selbstredend kommt es seit jeher zwischen den verschiedenen

Weitere Kostenlose Bücher