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Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet

Titel: Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Hitchens
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Falle, die das Christentum weitgehend vermeidet, indem sie ihrem Propheten einen menschlichen Körper mit einer nichtmenschlichen Natur zuweist – sorgte er mit seiner reichen Kinderschar dafür, dass seine religiöse Nachwelt zur Geisel seiner körperlichen Nachkommenschaft wurde. Nichts ist menschlicher und fehlbarer als das dynastische Erbprinzip, und der Islam wurde von Geburt an von Kleinkriegen zwischen seinen Prinzen und Prätendenten geschüttelt, die alle behaupteten, den entscheidenden Tropfen des ursprünglichen Blutes in sich zu tragen. Wenn man zusammenzählt, wer alles vom Gründer abzustammen behauptete, so ist die Zahl wohl größer als die der heiligen Nägel und Holzsplitter aus dem Kreuze Jesu, das – nimmt man alle Reliquien zusammen – etwa dreihundert Meter hoch war. Was die Kette der Isnads angeht, so lässt sich eine direkte Linie zum Propheten herstellen, wenn man den richtigen Imam kennt und bezahlen kann. Entsprechend erweisen Muslime auch jenen »satanischen Versen« noch eine gewisse Ehrerbietung und wandeln auf dem Pfad des heidnischen Polytheismus, der lange vor der Geburt ihres Propheten ausgetreten wurde. Jedes Jahr zur Hadsch, der jährlichen Pilgerfahrt, sieht man sie den würfelförmigen Kaaba-Schrein im Zentrum Mekkas umrunden, und zwar siebenmal – »der Richtung der Sonnenbahn um die Erde folgend«, wie es Karen Armstrong bizarr und gewiss multikulturell ausdrückt –, ehe sie den Schwarzen Stein an der Außenwand der Kaaba küssen. Dieser Stein, wahrscheinlich ein Meteorit, der die einfachen Bauern schwer beeindruckt haben muss, als er zur Erde fiel (»Die Götter müssen verrückt sein – nein, nein, Gott muss verrückt sein«), ist nur eine Station auf dem Weg zu weiteren vorislamischen Beschwichtigungsriten, die unter anderem das Werfen von Steinchen auf einen Steinpfeiler erfordern, der das Böse symbolisiert. Tieropfer vervollständigen das Bild. Wie viele, aber nicht alle heiligen Stätten des Islam bleibt Mekka Ungläubigen verschlossen, was dem Anspruch auf Universalität irgendwie widerspricht.
    Oft heißt es, der Islam unterscheide sich von anderen monotheistischen Religionen darin, dass er keine »Reformation« durchlaufen habe. Das ist gleichzeitig richtig und falsch. Es gibt Versionen des Islam – vor allem des von den Frommen so verabscheuten Sufismus – die grundsätzlich eher spirituell als wortgläubig sind und Anleihen aus anderen Religionen gemacht haben. Da der Islam ein absolutes Papsttum, das verbindliche Edikte ausgeben kann, vermieden hat (was dazu führt, dass rivalisierende Religionsführer einander widersprechende Fatwas ausgeben), können seine Anhänger nicht dazu gebracht werden, dogmatische Glaubensinhalte aufzugeben. Das mag von Vorteil sein, doch es bleibt festzuhalten, dass der Kernanspruch des Islam – perfekt und endgültig zu sein – so absurd wie unumstößlich ist. In diesem bleibenden Anspruch sind sich seine vielen widerstreitenden und widersprüchlichen Sekten von den Ismailiten bis hin zur Ahmadiyya-Bewegung einig.
    Juden und Christen signalisierten mit ihrer »Reformation« zumindest eine minimale Bereitschaft, die Heilige Schrift noch einmal unter die Lupe zu nehmen, so, als ließe sie sich einer – wie Salman Rushdie es so gewagt anregte – literarischen und textuellen Untersuchung unterwerfen. Die Zahl der möglichen »Bibeln« ist heute immens, und wir wissen beispielsweise, dass der bedeutungsschwere Begriff »Jehova« eine Fehlinterpretation der nicht ausgesprochenen Vokale zwischen den Konsonanten des hebräischen Wortes »Jahweh« ist. Korangelehrte haben dagegen nie ein vergleichbares Projekt unternommen. Es fand kein ernsthafter Versuch statt, die Abweichungen zwischen den vielen Editionen und Manuskripten zu katalogisieren, und schon die zaghaftesten Versuche in diese Richtung stießen auf einen beinahe inquisitorischen Ingrimm. Ein Beispiel ist die Arbeit Die syro-aramäische Lesart des Koran von Christoph Luxenberg, die im Jahr 2000 in Berlin erschien. Luxenberg vertritt die These, dass der Koran erheblich besser zu begreifen ist, wenn man ihn nicht als einsprachiges Werk betrachtet, sondern berücksichtigt, dass viele Wörter darin eben nicht arabisch, sondern syro-aramäisch sind. Sein berühmtestes Beispiel betrifft die Belohnung des »Märtyrers« im Paradies: In seiner redigierten Neuübersetzung besteht der himmlische Lohn aus süßen weißen Rosinen, nicht Jungfrauen. [FUSSNOTE37]

    Es ist die gleiche

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