Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet
Dinosaurier sind: die Sehnsucht zu fliegen. Himmelswagen, Engel, die durch die Luft schweben – es ist unschwer nachzuvollziehen, woher solche Vorstellungen kommen. Der Prophet setzt somit nur den Wunsch um, der in jedem Landarbeiter schlummert: sein Tier möge sich in die Lüfte erheben und endlich vorwärts kommen. Doch sollte einer, der mit unbeschränkter Macht ausgestattet ist, nicht ausgefallenere und grandiosere Wunder zustande bringen? Dass die Levitation auch in der christlichen Fantasie eine große Rolle spielt, lässt sich an den Geschichten der Himmelfahrten Christi und Mariä ablesen. Der Himmel galt damals als Schale und das Wetter als Omen oder Zeichen göttlicher Intervention. Angesichts dieser erbärmlich beschränkten Sicht des Universums war schon das einfachste Wetterereignis ein Wunder, wohingegen ein Phänomen, das uns nun wirklich erstaunen würde – etwa wenn sich die Sonne nicht vom Fleck bewegte – noch als regionales Ereignis begriffen werden konnte.
Definiert man ein Wunder als eine Veränderung der natürlichen Ordnung zum Positiven , so wurde das letzte Wort zu diesem Thema von dem schottischen Philosophen David Hume geschrieben, der uns Menschen dabei einen freien Willen zugestand. Ein Wunder ist die Störung des Erwarteten oder der Verstoß gegen das Übliche. Das kann alles sein, vom Aufgang der Sonne im Westen bis hin zu einem Tier, das Gedichte rezitiert. Der freie Wille setzt aber Entscheidungsfähigkeit voraus. Wer Zeuge eines solchen Ereignisses wird, kann zwei Schlüsse ziehen. Der erste ist, dass die Naturgesetze – zum eigenen Vorteil – außer Kraft gesetzt wurden. Der zweite ist, dass man einem Irrtum oder einer Sinnestäuschung unterliegt. Es gilt abzuwägen, welche der beiden Möglichkeiten wahrscheinlicher ist.
Bei einem Wunder, das uns über zwei oder drei Ecken erreicht, müssen wir noch sorgfältiger abwägen, ob der Zeuge, der etwas gesehen haben will, glaubwürdig ist. Und wenn mehrere Generationen seit der »Beobachtung« vergangen sind und keine neutrale Bestätigung vorliegt, so muss auch das in die Abwägung einfließen. Wieder können wir uns auf den getreuen Ockham berufen, der davor warnte, »Entitäten über das Notwendige hinaus« zu vermehren. Dazu seien ein altes und ein modernes Beispiel angeführt: die körperliche Wiederauferstehung und die UFOs.
Die wundersame Wirkung von Wundern hat im Lauf der Jahrtausende spürbar nachgelassen. Dazu kommt, dass die Wunder, die uns in jüngerer Zeit präsentiert wurden, gelinde gesagt zweifelhaft erscheinen. Das berühmte Blutwunder von Neapel, bei dem sich einmal im Jahr das Blut des heiligen Januarius verflüssigt, lässt sich beispielsweise von jedem versierten Zauberkünstler leicht wiederholen, was auch schon geschehen ist. Große säkulare Magier wie Harry Houdini und James Randi haben unter Laborbedingungen das freie Schweben, das Gehen durch Feuer, das Rutengehen und das Verbiegen von Löffeln vorgeführt, um zu zeigen, wie der Trick funktioniert, und unvorsichtige Menschen vor Betrügereien zu bewahren. Wunder sind jedenfalls keine Beweise für die Religion, die sich ihrer bedient: Aaron bezwang zwar der Bibel zufolge die Zauberer des Pharaos im offenen Wettbewerb, bestritt aber nicht, dass auch sie Wunder vollführen konnten. Seit geraumer Zeit hat allerdings niemand mehr eine Wiederauferstehung für sich reklamiert, und kein Schamane, der es doch tat, hat sich je bereit erklärt, seinen Trick unter nachvollziehbaren Bedingungen zu wiederholen. Da stellt sich doch die Frage: Ist die Kunst der Wiederauferstehung ausgestorben? Oder sind die Quellen, auf die wir uns beziehen, fragwürdig?
Schon beim Neuen Testament handelt es sich um eine höchst zweifelhafte Quelle. Professor Bart Ehrman kam beispielsweise zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass der Bericht von Jesu Wiederauferstehung im Markusevangelium erst Jahre später eingefügt wurde. Doch dem Neuen Testament zufolge kamen Wiederauferstehungen immer wieder vor. Jesus bewirkte sie gleich in zwei Fällen an anderen: Er holte sowohl Lazarus als auch die Tochter des Jairus aus dem Tode zurück. Offenbar machte sich aber niemand die Mühe, die Überlebenden nach ihren außerordentlichen Erfahrungen zu befragen. Auch wurde nicht festgehalten, ob oder wie diese beiden Menschen erneut »starben«. Wenn sie unsterblich blieben, so gesellten sie sich zum »Ewigen Juden«, der einer frühchristlichen Legende zufolge nach einer Begegnung mit Jesus auf der Via
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