Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet
Pflicht sei, Krieg gegen sie zu führen, wann immer sie auf sie träfen, und alle, die sie gefangen nehmen könnten, zu versklaven.
Botschafter Abdrahaman habe weiterhin die Höhe des Lösegelds, den Preis, den der Schutz vor Entführung koste, und nicht zuletzt seine eigene Provision für diese Verhandlungen genannt – einmal mehr offenbart die Religion ihre menschgemachten praktischen Vorzüge. [FUSSNOTE51]
Übrigens waren seine Hinweise auf den Koran durchaus zutreffend. Die in Medina offenbarte Sure 8 behandelt recht ausführlich die Kriegsbeute und die Qualen des Höllenfeuers, die alle zu erleiden haben, die von Gläubigen besiegt werden. Auf ebendiese Sure bezog sich zwei Jahrhunderte später auch Saddam Hussein, als er seine Raubzüge in Kurdistan und den Massenmord am kurdischen Volk rechtfertigte.
Auch ein anderes historisches Großereignis wird häufig so dargestellt, als bestehe ein Zusammenhang zwischen dem religiösen Glauben und dem moralischen Resultat: die Unabhängigkeit Indiens von der Kolonialherrschaft. Wie bei der heroischen Schlacht des Dr. King zeigt sich aber auch hier, dass eher das Gegenteil der Fall ist.
Nach der eklatanten Schwächung des britischen Weltreiches durch den Ersten Weltkrieg und insbesondere nach dem schändlichen Massaker an indischen Demonstranten in der Stadt Amritsar im April 1919 wurde selbst den damaligen Verwaltern des Subkontinents klar, dass die Londoner Herrschaft früher oder später ein Ende haben würde. Es ging nicht mehr um die Frage »ob«, sondern »wann«. Unter anderen Voraussetzungen hätte gewaltloser Widerstand keine Chance gehabt. Mohandas K. Gandhi, der auch respektvoll »Mahatma« genannt wird, stieß gewissermaßen eine bereits offene Tür auf. Das ist durchaus keine Schande, doch vor allem seine religiösen Überzeugungen stellen sein Vermächtnis nicht in ein heiliges, sondern in ein dubioses Licht. Gandhi wollte Indien, verkürzt gesagt, wieder zu einer dörflichen und primitiven »spirituellen« Gesellschaft machen, erschwerte damit die Machtteilung mit den Muslimen und war sehr wohl willens, zur Gewalt zu greifen, wenn er es für nützlich hielt.
Die Frage der indischen Unabhängigkeit war mit der Frage der Einheit eng verbunden: Würde das ehemals britische Indien innerhalb der gleichen Grenzen, in seiner territorialen Ganzheit und unter dem Namen Indien wiedergeboren werden? Eine muslimische Gruppe beantwortete diese Frage mit einem klaren Nein. Unter britischer Herrschaft hatten die Muslime als große, um nicht zu sagen privilegierte Minderheit Schutz genossen und waren nun nicht bereit, nur noch eine große Minderheit in einem von Hindus dominierten Staat darzustellen. Schon dass die stärkste politische Kraft, die sich für die Unabhängigkeit einsetzte – die Kongresspartei –, von einem bekannten Hindu geführt wurde, erschwerte die Versöhnung. Man könnte nun behaupten, und das will ich auch tun, dass die Kompromisslosigkeit der Muslime in jedem Fall destruktiv gewirkt hätte. Doch Gandhis Gerede vom Hinduismus und die vielen Stunden, die er demonstrativ mit religiösen Handlungen und am Spinnrad verbrachte, machten gewöhnlichen Muslimen den Austritt aus der Kongresspartei und den Eintritt in die Muslimische Liga, die sich für eine Teilung einsetzte, erheblich leichter.
Das Spinnrad, das bis heute die indische Flagge ziert, symbolisierte Gandhis Ablehnung der Moderne. Er hüllte sich in selbst hergestellte Stoffe, trug Sandalen und einen Stock und äußerte sich abfällig über Maschinen und Technik. Er schwärmte vom indischen Dorf, in dem seit Jahrtausenden der Rhythmus der Tiere und des Getreides den Ablauf des Lebens bestimmte. Millionen von Menschen wären, wenn man seinem Rat gefolgt wäre, sinnlos verhungert oder hätten weiterhin Kühe verehrt – die übrigens die Priester in einem durchaus klugen Schachzug für heilig erklärt hatten, damit die unwissenden Armen in Zeiten der Dürre und des Hungers nicht ihr einziges Kapital umbrachten und aufaßen. Anerkennung gebührt Gandhi für seine Kritik am unmenschlichen hinduistischen Kastensystem, in dem die Angehörigen der niederen Kasten einer Ächtung und Verachtung ausgesetzt waren, die in mancherlei Hinsicht noch absoluter und grausamer war als die Sklaverei. Doch in einem Moment, in dem Indien vor allem eine moderne und weltliche nationale Führung brauchte, bekam es stattdessen einen Fakir und Guru. Dies wurde 1941 unangenehm klar, als die kaiserliche Armee Japans
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