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Der Herr vom Rabengipfel

Der Herr vom Rabengipfel

Titel: Der Herr vom Rabengipfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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straffte sie ihre mageren Schultern und verzog das Gesicht vor Schmerz. »Nun ja, Bäume kann ich noch nicht ausreißen.«
    »Wie alt bist du?« fragte er.
    »Achtzehn.«
    »Und Taby?«
    »Er wird bald sechs.«
    »Wie lange seid ihr Sklaven?«
    »Etwa zwei Jahre ... ich weiß nicht mehr. Es ist unwichtig und geht dich nichts an.«
    »Länger als zwei Jahre hättet ihr kaum überlebt, Taby jedenfalls nicht. Es ist ohnehin ein Wunder, daß du es geschafft hast, ihn zwei Jahre durchzubringen. Er ist noch so klein. Woher kommt ihr?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Aus einem Land, das deinem ähnlich ist. Dorthin kehre ich zurück, wenn die Zeit reif ist. Das kannst du mir glauben, Wikinger. Und ich werde uns drei freikaufen.« Sie holte tief Luft. »Ich bezahle dir die Kleider, und ich gebe dir das Silber zurück, das du für Taby bezahlt hast . . .«
    Er riß sie zu sich herum. »Ich heiße Merrik. Nenn mich gefälligst bei meinem Namen. Und lerne, deine Zunge im Zaum zu halten. Kein Wunder, daß Thrasco dich ausgepeitscht hat. Vermutlich war er nicht der Erste, der dir für dein freches Mundwerk mit der Peitsche die Haut vom Rücken geschält hat.«
    Sie blickte ihn unverwandt an. »Nur die Frau peitschte mich. Danach habe ich meinen Mund gehalten. Aber ich habe damit erreicht, was ich wollte: sie kaufte Taby.«
    »Und warum vergißt du bei mir, was du gelernt hast? Hältst du mich für zu weich, dich auszupeitschen?«
    Ihr Blick wich ihm aus und wanderte über seine Schulter zu Cleve, der Taby an der Hand hielt. »Du bist nicht wie die anderen«, entgegnete sie. »Du bist nicht weich, nur anders. Ich habe keine Angst vor dir, und ich glaube nicht, daß du Taby oder mich prügelst.«
    »Angst mußt du nur vor mir haben, wenn du nicht bereit bist, dich unterzuordnen.«
    Sie überhörte seine Worte. »Du bist anders, nicht wahr? Du tust uns nicht weh, du verkaufst uns nicht, und du überläßt uns nicht deinen Gefährten? Ich habe dir diese Frage schon einmal gestellt, und du hast mich verspottet.«
    »Ich denke darüber nach. Vielleicht gefällt mir eine dieser Lösungen. Ich muß mit Oleg darüber sprechen. Jedenfalls werde ich dich erst mal tüchtig füttern, damit du etwas Fett ansetzt. So wie du jetzt aussiehst, holt einer sich blaue Flecke, wenn er dich besteigen will.«
    Beiläufig entgegnete sie: »Ich habe die Erfahrung gemacht, daß Männer sich mit jeder Frau einlassen, solange noch ein Funke Leben in ihr ist. Ich habe mich als Bursche verkleidet, nachdem ich gesehen habe, wie ein Mann eine Frau vergewaltigte. Er schlug sie, bis ihr das Blut aus Nase und Mund lief, dann riß er ihr die Kleider vom Leib und bestieg sie. Ich weiß nicht, ob sie die Tortur überlebt hat. Als er mit ihr fertig war, lief ihr das Blut zwischen den Beinen entlang. Ich hätte ihn umbringen können. Wenn du mich an einen solchen Kerl verkaufst, töte ich ihn.«
    »Dann rate ich dir, freundlicher zu mir zu sein.« Offenbar zog sie die Möglichkeit nicht in Betracht, er selbst könne sie vergewaltigen. Andererseits wußte sie, daß er mit ihr tun konnte, was er wollte. Auf seinen Handelsreisen hatten ihn Kaufleute mit willigen Sklavenmädchen zur Lustbefriedigung versorgt, Händler, die daran interessiert waren, günstige Geschäfte mit ihm zu machen. Diese Mädchen hatten sich nie gewehrt, nie geschrien. Er hatte nie die Hand gegen eine dieser Frauen erhoben. Hatte er nicht das Haus des Kaufmanns in Kiew verlassen, als er sah, wie Thrasco das wehrlose Mädchen geritten hatte? Der Anblick war ekelerregend gewesen. Andererseits mußte eine Sklavin sich dem Willen ihres Herrn unterordnen. Er tauchte die Hand in die kühlen Fluten und fragte sich wieder einmal, wieso er die drei fremden Menschen mitgenommen hatte. Er mußte verrückt sein. Seine Hand im Wasser ballte sich zur Faust.
    »Warum hast du mich auf dem Sklavenmarkt so angestarrt?«

Kapitel 5
    Er mied ihren Blick und beobachtete stattdessen das große Segel, das laut im Wind schlug. Beiläufig fragte er zurück: »Hab' ich dich angestarrt?«
    »Das hast du. Ich spürte, daß mich jemand fixierte, deshalb hob ich den Kopf. Und dann sah ich dich. Du standest da wie festgefroren und deine Augen ließen nicht von mir ab.«
    Er hob die Schultern. »Ja, es stimmt. Ich konnte meinen Blick nicht abwenden. Und dann hast du mich angesehen. Du hast so hilflos geschaut. Und plötzlich loderten Zorn und Bitterkeit in deinen Augen auf. Da konnte ich einfach nicht wegsehen.«
    Sie schwieg.
    »Und

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