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Der Herr vom Rabengipfel

Der Herr vom Rabengipfel

Titel: Der Herr vom Rabengipfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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dann sah ich Taby. Auch das war merkwürdig. Ich mach' mir nicht viel aus Kindern. Aber ihn schloß ich vom ersten Augenblick an ins Herz.«
    »Deshalb kamst du in Thrascos Haus. Eigentlich wolltest du nur ihn. Seinetwegen mußtest du auch mich befreien.«
    »Ja. Aber du hast mich auch interessiert.«
    »Deine Gefühle für meinen kleinen Bruder werden vergehen. Du bist ein Mann. Männer lieben keine Kinder, jedenfalls nicht wie Frauen es tun. Männer sind stolz auf Kinder, wenn sie tapfer sind. Aber für einen Mann ist Liebe nur ein Wort, für Frauen dagegen bedeutet sie Zuwendung und Fürsorge.«
    »Für dein Alter redest du ziemlich klug daher«, meinte er spöttisch, den Blick zum Ufer gerichtet. »Möglicherweise gilt das für die Männer deiner Heimat. Mein Vater liebt mich und meine Brüder. Er hat uns gleichermaßen gelobt und gezüchtigt. Er hat uns mit viel Geduld erzogen. Du kennst mich nicht und weißt nicht, was ich für Taby in einem Jahr oder in fünf Jahren empfinden werde.«
    »Er ist nicht mit dir verwandt und nicht von deinem Blut. Ich weiß, wie wichtig das für Männer ist. Du wirst Taby vergessen, wenn du wieder in deiner Heimat bist. Was wird deine Frau sagen, wenn du ihr ein fremdes Kind bringst?«
    »Ich habe keine Frau.«
    »Männer brauchen Frauen für ihre Nachkommen. Du wirst dir bald eine Frau nehmen. Männer müssen in der Jugend Kinder zeugen, da ihre Manneskraft später geschwächt ist. Erwartest du von deiner zukünftigen Frau, daß sie Taby aufzieht? Was ist, wenn sie grausam zu ihm ist? Es ist nicht recht, Merrik. Deshalb mußt du einverstanden sein, daß ich ihn dir abkaufe, bevor du nichts mehr für ihn empfindest, oder bevor deine Frau ihm wehtut, und du ihn dann verkaufst.«
    »Du denkst dir bessere Geschichten aus als ein Skalde, und nichts davon entspricht der Wahrheit. Hör auf damit.
    Außerdem hast du kein Silber, du besitzt nichts, um etwas kaufen zu können, schon gar nicht drei Menschen.«
    »Ich kann Silber besorgen, eine Menge davon, mehr als einer wie du durch Handel erwerben oder stehlen kann.«
    »Sprichst du etwa von Lösegeld? Hast du reiche Eltern oder Verwandte? Besitzen sie das Silber, von dem du sprichst?«
    »Vielleicht.«
    »Vielleicht ist ein Wort für Schwächlinge. Wenn es jemand gibt, der Lösegeld für dich bezahlt, laß es mich wissen. Ich könnte einen meiner Männer zu dem Betreffenden schicken, um zu erfahren, ob er dich überhaupt noch haben will, ob er sich noch an dich erinnert. Wenn er dich nicht wirklich liebt, hat er dich vermutlich längst vergessen.«
    Er sah förmlich, wie ihre Gedanken durcheinander schwirrten, und welcher Aufruhr der Gefühle in ihr tobte. Er wartete auf eine Entgegnung, auf Ausflüchte, Lügen, und war ein wenig erstaunt, als sie mit einem Stoßseufzer entgegnete: »Mehr kann ich dir nicht sagen. Es gibt jemanden, aber ich bin mir nicht ganz sicher. Vielleicht gibt es ihn auch nicht mehr. Vor langer Zeit habe ich Silber vergraben. Ja, ich besitze einen verborgenen Schatz.«
    Letzteres war auf alle Fälle gelogen. Aber es lag auch ein Kern Wahrheit in ihrer Rede. Er hob eine Augenbraue. »Etwa für einen Notfall wie diesen?«
    »Mach dich nicht über mich lustig, Wikinger. Ein Mann wie du wird das nie verstehen.«
    »Ein Mann wie ich? Ich dachte, ich bin anders.«
    »Immerhin bist du ein Wikinger. Du bist Krieger und Händler. Als Krieger tötest du bedenkenlos, wenn das Töten dir Vorteile bringt. Ich kenne eure Gewohnheiten besser als du ahnst. In den vergangenen zwei Jahren habe ich viel gelernt. Ich habe gelernt, daß man im Dreck verrottet oder zu Tode gepeitscht wird, wenn man sich nicht wenigstens den Anschein gibt, gefügig zu sein.«
    »Es gibt also Menschen, die Lösegeld für dich bezahlen würden, wenn sie wüßten, wo du bist.« Nachdenklich betrachtete er seine großen Füße. Keiner trug Schuhe im Boot. Die gesamte Habe der Männer war in den Kisten verstaut, auf denen sie saßen. Bedächtig sagte er, ohne den Kopf zu heben: »Seltsam. Du willst mir nichts sagen, weil du befürchtest, eine Botschaft könnte die falschen Leute erreichen.« Er hob den Kopf und bemerkte das Erschrecken in ihren Augen.
    Er wandte sich dem Alten Firren zu und redete mit ihm. Erst sehr viel später richtete er wieder das Wort an sie. Und als er es tat, zuckte sie zusammen, so tief war sie in Gedanken versunken.
    »Laren klingt fremdländisch. Woher kommst du?«
    Sie war sehr mißtrauisch geworden. »Sehr weit von Kiew

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