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Der Herr vom Rabengipfel

Der Herr vom Rabengipfel

Titel: Der Herr vom Rabengipfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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gehört, die Wikinger nehmen ihre Haustiere im Winter mit ins Langhaus.«
    Er lachte. »Es riecht etwas streng, aber daran gewöhnt man sich. Und wenn es taut, und die Sonne im Frühling wieder scheint, und man wieder an die frische Luft kann, sind alle glücklich und voller Lebensfreude. Woher kommst du, Laren?«
    »Aus der ...« Sie klappte den Mund zu und nestelte an ihren kurzen Zöpfen. »Das ist unwichtig, Merrik. Danke für die Kleider. Ich komme mir nicht länger vor wie ein Junge. Und das gefällt mir. Aber die Bewegungsfreiheit wird mir fehlen.«
    Er drängte nicht weiter in sie. Er würde noch früh genug alles über sie und Taby erfahren. Sie zupfte an ihrem roten Haar, das sie zu zwei Rattenschwänzen geflochten hatte. Kurze Löckchen kringelten sich um ihr Gesicht und im Nacken. Er mußte gestehen, daß sie in ihren Frauenröcken hübsch aussah. Trotz des gelblichgrünen Blutergusses im Gesicht sah sie recht passabel aus. Nein, verbesserte er sich, sie war schön mit ihrem roten Haar, das wie Feuerschein in der Sonne glänzte.
    Er blickte zu dem steilen Küstenstreifen hinüber, der sich endlos hinzog und keinem Boot eine Landemöglichkeit bot. Er dachte an Malverne. Die nagende Unruhe war einer kalten Furcht gewichen, für die er keine Erklärung wußte.
    Eller rief: »Ich rieche zwar nichts, Merrik. Aber da drüben liegt Malverne! Ich kann es sehen!«
    Die Männer reckten die Hälse. Oleg stellte sich neben Merrik. »Es war eine gute Handelsfahrt«, sagte er. »Unsere Kisten sind voll Silber. Die Frauen werden sich freuen über die schönen Pelze, die wir mitbringen.«
    Merrik verscheuchte seine bösen Gedanken und grinste: »Die Brosche, die ich meiner Mutter bringe, wird ihr gefallen, und sie wird mich mit köstlichem Essen vollstopfen, bis mir der Bauch platzt.«
    Oleg lachte. »Ich schenke Tora einen Armreif. Ich bin so ausgehungert, daß sie mich ein ganzes Jahr rausfüttern muß. Was schenkst du deinem Vater?«
    »Mein Vater bekommt ein kostbares Messer aus Bulgarien mit einem Griff aus Elfenbein.«
    »Ich habe Harald eine Schmuckkassette mitgebracht«, setzte Oleg stolz hinzu. »Vom Runenmeister lasse ich seinen Namen eingravieren.«
    Merrik knuffte ihn ausgelassen in die Seite. Oleg versetzte ihm dafür einen Klaps auf den Bauch, und das Langboot geriet bedenklich ins Schwanken.
    Laren beobachtete die beiden vergnügt. Dann sah sie, wie Merrik einem Ruderbalken gefährlich nah kam. Sie rief ihm eine Warnung zu, doch Oleg hatte ihm schon einen Stoß versetzt. Merrik verlor das Gleichgewicht, ruderte mit den Armen in der Luft und ging über Bord.
    Unter wieherndem Gelächter zogen die Gefährten ihn aus dem Wasser. Merrik schüttelte sich wie ein nasser Hund.
    »Findest du das komisch?« fragte er Laren, die sich vor Lachen den Bauch hielt.
    »Ja, du siehst aus wie ein triefender junger Gott.«
    Das Lachen blieb ihm im Hals stecken. Ein junger Gott? Sie fand, er sah aus wie ein Gott? Verlegen wandte er sich ab. Taby zeigte auf Merrik und kam lachend angerannt. »Bleib mir vom Leib, Prinz Taby«, rief er ihm zu. »Sonst siehst du auch gleich aus wie ein triefender junger Gott.«
    Als sie auf die Mole zuhielten, von der ein gewundener Pfad zu dem stattlichen Gehöft auf einer Hügelkuppe führte, brachen die Männer wieder in Jubel aus. Auf dem Steg standen Frauen und Kinder versammelt und riefen und winkten zu ihnen herüber.
    Merrik suchte unter den Wartenden nach seinem Vater und seiner Mutter, entdeckte aber nur seinen Bruder Erik und konnte kein Willkommenslächeln in seinen Gesichtszügen entdecken. Sein Herz begann schneller zu schlagen. Hatte seine böse Ahnung ihn nicht getrogen?
    Nein, sie hatte ihn nicht getrogen. Vater und Mutter waren an einer Seuche gestorben, von der die Bewohner auf Malverne vor knapp einem Monat heimgesucht worden waren.

Kapitel 8
    Merrik saß stumm über den Tisch gebeugt, einen Krug Met in beiden Händen.
    Neben ihm sein Bruder Erik, der gleichfalls schwieg. Schließlich berichtete Erik: »Es ging rasch mit ihnen zuende. Sie haben nicht lange gelitten. Die Krankheit schlug schnell zu. Unvermutet war der Tod da, man konnte ihn riechen, man spürte ihn in der Luft, und niemand vermochte etwas dagegen auszurichten. Wir mußten hilflos zusehen, wie die Menschen starben, die wir liebten.« Erik schüttelte den Kopf. »Sarla war auch krank, aber sie hat es überstanden. Ich glaube, sie hat unsere Mutter angesteckt, weil sie Sarla pflegte. Und dann wurde Vater krank,

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