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Der Herr vom Rabengipfel

Der Herr vom Rabengipfel

Titel: Der Herr vom Rabengipfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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der nicht vom Bett unserer Mutter wich. Ja, Sarla hat die Seuche überlebt.«
    Merrik wollte sagen, es sei nicht Sarlas Schuld, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken. Er schluckte den Knoten, der ihm die Kehle zuschnürte, hinunter und senkte den Kopf noch tiefer.
    Nach einer Weile fuhr Erik fort: »Die älteren Leute wurden alle krank und die meisten starben. Unsere Eltern waren die ersten Toten, die es zu beklagen gab. Zehn unserer Leute und acht Sklaven starben nach ihnen. Es war eine schlimme Zeit. Ich wünschte, du wärst hier gewesen. Aber es war wohl besser so. Sonst hätte ich dich vielleicht auch noch verloren.«
    »Ist die Seuche auch anderswo ausgebrochen?«
    »Meinst du bei Vetter Egil? Nein, er und seine Familie blieben verschont. Die Krankheit war plötzlich wieder verschwunden wie ein Gespenst, das nachts spukt. Das ganze Gravaktal blieb verschont. Nur uns hat es getroffen.«
    Sarla trat an Merrik heran und sagte leise: »Du mußt etwas essen, Merrik. Ich habe Wildeintopf gekocht, das ißt du doch gern . .. hat deine Mutter mir gesagt. Ich kann nicht so gut kochen wie sie, aber es schmeckt recht gut.«
    Er lächelte die schüchterne, unscheinbare Frau seines Bruders an. Wenn man genau hinsah, war sie eigentlich recht hübsch, aber sie hielt sich so sehr im Hintergrund, daß man sie meist übersah. Sie hatte dunkelblondes, volles Haar, das Blau ihrer Augen hatte einen deutlichen Grauton, und ihre Haut war hell und rein. Erik behandelte sie lieblos. Merrik freute sich, daß sie noch am Leben war. »Danke Sarla, ich habe keinen Hunger. Versorge die anderen Männer.« Da erst kam ihm zu Bewußtsein, daß er Laren und Taby vollkommen vergessen hatte. »Sarla, bitte kümmere dich um das junge Mädchen und das Kind, die ich mitgebracht habe. Und um einen Mann namens Cleve. Die drei schlafen hier im Langhaus.«
    Sie nickte und fragte, ob er noch einen Krug Met wolle. Bevor Merrik antworten konnte, fuhr sein Bruder sie mit schneidender Stimme an: »Wenn er Met will, sagt er dir Bescheid. Mach dich an die Arbeit.«
    Sarla neigte schweigend den Kopf und ließ die Brüder allein. Erik erkundigte sich: »Du hast drei Sklaven in Kiew gekauft, wie ich höre.«
    »Das Kind habe ich gekauft. Das Mädchen und den Mann habe ich mitgenommen, ohne für sie zu bezahlen.« Einen Augenblick vergaß er seine Trauer. »Wir mußten aus Kiew fliehen, bevor ein wutschnaubender Händler entdeckte, daß ein junger Bursche und ein Mann verschwunden waren.
    »Ein Bursche? Sie ist doch ein Mädchen.«
    »Damals war sie als Bursche verkleidet, spindeldürr und mit einer zerfetzten Hose und einem Kittel bekleidet. Selbst ich hielt sie für einen Burschen, bis ich ihren wunden Rücken versorgte. Thrasco, der Händler, hatte sie schlimm zugerichtet.«
    »Sie ist also eine Sklavin«, stellte Erik zufrieden fest.
    Merrik überhörte die Bemerkung; seine Gedanken weilten wieder bei seinen Eltern.
    »Sie ist zu dürr«, ergänzte Erik. Merrik hob den Kopf und sah den Blick seines Bruders auf Laren ruhen, die am Herdfeuer neben Sarla stand. »Sieht aber nicht krank aus.«
    »Nein. Sie ist nicht krank. Du hättest sie bei der Flucht sehen sollen. Damals war sie nur Haut und Knochen. Und der Kleine war so mager, daß einem die Tränen kamen.«
    Erik blickte verächtlich zu Taby hinüber, der mit einem Lederball spielte. »Das Balg ist nur eine Last. Hat das Mädchen dich gebeten, ihn zu kaufen? Hat sie dir dafür versprochen, deine Hure zu sein? Ein Mann kann mit einer Frau ohnehin tun was er will, und mit einer Sklavin gleich zweimal. Warum hast du das Kind überhaupt gekauft, Merrik?«
    Merrik antwortete gedehnt: »Ich weiß nicht. Ich sah es und wußte, daß ich es haben mußte. Laren hatte nichts damit zu tun. Das Mädchen hatte bereits einen Käufer gefunden. Ich habe nur für Taby bezahlt.« Merrik hob die Schultern. »Ja, er gehört mir. Sie habe ich nur befreit, weil sie Tabys Schwester ist.«
    »Aha«, sagte Erik und verfiel wieder in Schweigen. »Warum hat sie einen Bluterguß im Gesicht? War sie ungehorsam? Mußtest du sie züchtigen?«
    Merrik hatte jedoch keine Lust, die Fragen seines Bruders zu beantworten. Er wollte allein mit seiner Trauer sein.
    »Nein«, antwortete er knapp und stand auf. »Ich habe sie nicht gezüchtigt.«
    Erik blickte seinem Bruder gedankenvoll nach, wie er durch das breite Eichentor des Langhauses ins Freie ging. Dann schaute er wieder zu der Frau hinüber, die Merrik aus Kiew gebracht hatte. Sie lachte

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