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Der Herr vom Rabengipfel

Der Herr vom Rabengipfel

Titel: Der Herr vom Rabengipfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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verhältst.«
    Sarla gab ihre Anweisungen gelassen und ohne Zögern: »Dort drüben auf dem Sims in der Specksteinschale sind Löffel. Leg sie neben die Teller, Laren.«
    Erik entfernte sich brummend.
    Laren spürte, wie Zorn in ihr hochstieg. Erik war wie Helgas Ehemann Fromm: ein Tyrann und maßlos stolz auf seine Stellung. Ein Mann, der vor keiner Gewalttat zurückschreckte. Sie überlegte, ob Erik ebenso herumstolziert war und Befehle erteilt hatte, als sein Vater noch lebte und Herr auf Malverne war.
    Merrik nippte an dem süßen Met, den Sarla gut zu brauen verstand. Seine Mutter hatte ihr viel beigebracht. Er machte ihr ein Kompliment.
    Erik widersprach: »Für meinen Geschmack ist zuviel Honig drin.«
    »Ich finde ihn köstlich«, sagte Merrik.
    Erik schnaubte verächtlich. »Nach dem Nachtmahl soll Deglin uns eine Geschichte erzählen, vielleicht von den Heldentaten meines jüngsten Bruders in Kiew.«
    Es entstand ein lastendes Schweigen. Merriks Gefährten warfen einander verstohlene Blicke zu, rutschten unruhig auf den Bänken herum und brummten in sich hinein.
    Erik hob eine blonde Augenbraue und blickte zuerst zu Merrik und dann die Tafel entlang zu Deglin.
    Mit ruhiger Stimme sagte Merrik: »Deglin erzählt keine Geschichten mehr, Erik. Er hat festgestellt, daß er kein Skalde mehr sein will.«
    »Ja«, fügte Eller eilfertig hinzu. »Er hat das Mädchen angelernt. Sie erzählt uns ab jetzt Geschichten.«
    Erik entgegnete: »Unsinn. Sie ist ein Weib. Sie kann nicht . ..«
    »Hör ihr erst zu, bevor du dein Urteil fällst.«
    Erik richtete sich halb auf, als wolle er seinen Bruder Merrik schlagen, faßte sich aber und lehnte sich wieder in dem Stuhl zurück, der bis vor kurzem der Stuhl seines Vaters war. Sein Gesicht war gerötet, seine Augen verengt. Er wandte sich an Laren, die neben dem Alten Firren saß. »Du hältst dich also für einen Skalden, Mädchen?«
    Sie sah ihn gleichmütig an. Dann antwortete sie achselzuckend: »Ich halte mich für gar nichts. Ihr werdet mir ohne Zweifel sagen, wer ich bin.«
    Sarla, die neben ihrem Gemahl saß, hielt den Atem an. Sie spürte, wie der Zorn ihn zu übermannen drohte.
    Rasch fragte sie mit lauter, banger Stimme: »Schmeckt dir der Hering? Roran Schwarzauge hat ihn heute nachmittag gefangen.«
    Erik löste den Blick von der Sklavin. »Roran hat immer Glück beim Fischen«, brummte er und nahm einen tiefen Schluck.
    Und so kam es, daß Laren nach dem Mahl aufgefordert wurde, die Geschichte von Grunlige dem Dänen von Anfang an zu erzählen. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Deglin sich entfernte und war froh darüber. Er humpelte immer noch, und sie wußte, daß er ihr die Schuld daran gab.
    Sie dachte an ihre Silbermünzen, nahm einen Schluck Bier, lächelte in die Runde und begann: »Es war einmal ein tapferer Krieger namens Grunlige der Däne.«
    Sie schmückte den Anfang der Geschichte aus und fesselte damit die Aufmerksamkeit ihrer Zuhörer.
    »... Und als Parma sich vorbeugte, um Selina zu berühren, als seine Hände ihre Arme umfaßten, geschah etwas sehr Seltsames.«
    Sie legte eine Kunstpause ein und blickte jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind ins Gesicht. Ihre Augen funkelten, sie saß vorgebeugt, als wolle sie ihren Zuhörern ein Geheimnis anvertrauen. Dann fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen.
    Es war Oleg, der es schließlich nicht mehr aushielt: »Genug, Mädchen! Erzähl endlich weiter!«
    Die Männer stimmten ihm johlend zu, und Eller rief: »Gebt dem Mädchen eine Chance. Ich rieche eine gute Geschichte.«

Kapitel 9
    Mit geheimnisvoller Stimme sprach Laren leise weiter: »Als Parma Selinas Arme berührte, war ihm, als jage Thor einen zuckenden Blitz durch ihn hindurch. Er taumelte zurück, und plötzlich war ihm bitterkalt, und er begann zu zittern. Seine Hände fühlten sich an, als seien sie versengt, und Schmerzwogen durchzuckten ihn, obwohl sein Körper keine Wunden aufwies. Seine Hände wurden taub, und ein pochender Schmerz klopfte in seinen Fingern. Er blickte von seinen Händen zu Selina. Mit ruhiger Stimme sagte sie: >Ich habe dich davor gewarnt, mich zu berührend
    Der brennende Schmerz in seinen Händen, ein Schmerz, der kälter als der Tod war, versiegte bald wieder. Parma wurde zornig und wollte nicht mehr wahrhaben, daß tatsächlich etwas Seltsames geschehen war, und daß er den Schmerz wirklich gespürt hatte. Wutschnaubend stürzte er sich auf Selina und warf sie zu Boden. Er lag auf ihr, Speichel tropfte ihm aus

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