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Der Herr vom Rabengipfel

Der Herr vom Rabengipfel

Titel: Der Herr vom Rabengipfel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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blickte auf die gesunden, starken Hände des Kriegers. Er blickte in Grunliges Gesicht. Da erkannte er seinen Irrtum und wußte, daß es um ihn geschehen war. Er erbleichte und wollte fliehen.
    Doch Grunlige zog sein mächtiges Schwert aus blitzendem Eisen. Später schworen alle, gesehen zu haben, daß sich in der glänzenden Schneide Odins Antlitz spiegelte. Mit beiden Händen hob Grunlige das Schwert hoch über den Kopf, führte es langsam nach unten und spaltete Parmas Kopf in zwei Hälften, führte das Schwert weiter, bis Parma in zwei gleiche Hälften gespalten war, die zur Erde fielen. Merkwürdigerweise sprudelte kein Blut aus dem gespaltenen Leib, nicht ein einziger Tropfen.
    Alle reckten die Köpfe. Und keiner sah etwas anderes als die beiden leeren Hälften, die wie zwei übergroße, leere Nußschalen aussahen. Entsetzt wichen die Männer zurück und flehten Grunlige an, ihnen zu erklären, was das zu bedeuten habe. Grunlige rief: >Ich habe den Dämon besiegt, der mich auf die Probe gestellt hat, und der mir Angst einjagen wollte.< Er wandte sich an seine Gemahlin: >Er war Parma, bevor er diesen Saal betrat. Doch Odin nahm ihn mit sich und übergab ihn dem Vergessen der Verdammten. Von nun an trägt der Dämon der Lüfte seine Gestalt. Der Spuk ist vorbei.<
    Es folgte eine Zeit des Glücks für Grunlige den Dänen und seine Lieben. Sein Ruhm wurde von seinen Kindern und Kindeskindern weitergetragen. Seine Geschichte wurde zur Sage und zum Mythos. Es heißt, seine Nachkommen leben noch heute irgendwo in Norwegen. Doch niemand kennt den genauen Ort. Und wenn ihr in wilden Sturmnächten die Ohren spitzt, hört ihr im Donnergrollen seinen Namen, und ihr wißt, daß Allvater Odin
    seinen treuen Krieger nie vergißt, der ihm, dem Gott aller Götter, ewige Treue geschworen hatte.«
    Laren schwieg und senkte den Kopf. Sie hielt den Kopf auch noch gesenkt, als Jubel aufbrauste, die Leute in die Hände klatschten und Silbermünzen auf sie herabregneten.
    Sie hätte gern vor Glück gejauchzt, blickte jedoch bescheiden zu Boden. Keiner durfte ihren Triumph sehen.
    Kurz darauf führte Merrik sie in seine Schlafkammer; vor aller Augen, vor den Thoragassons und vor Letta. Taby war bei Cleve geblieben, der ihn mit den anderen Kindern zu Bett brachte, wo die Kleinen noch lange ehrfürchtig von den Heldentaten des großen Grunlige tuschelten. Als habe er tatsächlich gelebt, dachte Merrik. Auch er hatte Grunlige während Larens Erzählung lebendig vor sich gesehen. Vielleicht hatte es ihn ja wirklich gegeben . . .
    Als er neben Laren lag, sagte er in die Dunkelheit: »Das hast du gut gemacht.«
    Sie holte tief Luft. »Ich möchte dich etwas fragen, Merrik.«
    »Ja?«
    »Wieviel hast du für Taby auf dem Sklavenmarkt bezahlt?«
    Sie schien ihn für dumm zu halten. Glaubte sie, er habe nicht bemerkt, daß man ihr Silberstücke zugeworfen hatte, seit sie mit dem Geschichtenerzählen begonnen hatte? Wie viele Münzen sie wohl schon beisammen hatte? Allein an diesem Abend lagen wenigstens zwanzig Silberstücke zu ihren Füßen und dazu noch zwei schwere Silberarmreife, wobei einer von Olaf Thoragasson persönlich war.
    »Ich habe fünfzig Silberstücke für ihn bezahlt.«
    Ungerührt hörte er ihren Entsetzenslaut. »Wieso fragst du? Ich würde für Taby weit mehr bezahlen. Er bedeutet mir viel mehr.«
    Sie schwieg, fand keine Worte. All ihre Träume schienen in der rauhen Nordsee zu versinken.
    Merrik schmunzelte. »Heute nachmittag sagte Taby mir wieder, er sei ein Prinz, und dabei reckte er das Kinn stolz in die Luft.«
    Tiefes Schweigen trat ein. Seltsam, sie könnte wenigstens über Tabys blühende Fantasie lachen.
    »Er versprach, mir zu gestatten, daß ich mich weiter um ihn kümmere. Dann zerstörte er den königlichen Eindruck und warf sich mir quietschvergnügt an den Hals.«
    Er hörte ihre beschleunigten Atemzüge. Beiläufig fügte er hinzu: »Das Mahl, das du uns heute abend vorgesetzt hast, übertraf alles, was meine Leute bisher gegessen haben. Ich kann mir denken, daß der alte Thoragasson dich gerne kaufen würde. Damit bekäme er eine ausgezeichnete Köchin und einen begabten Skalden obendrein.« Nach einer Pause setzte er hinzu: »Dein Wert steigt mit jedem Tag.«
    »Ich bin deine Bettgefährtin.«
    »Auch das. Doch darum wird mich kaum einer beneiden.«
    »Du hast mich vor den Augen der Thoragassons in deine Schlafkammer geführt. Warum kränkst du Letta, wenn du mit ihr verlobt bist?«
    »Eine Frau muß

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