Der Herr vom Rabengipfel
versuchte zu sprechen, sich zu verteidigen, brachte aber nur ein unverständliches Krächzen hervor. Tränen stürzten ihm aus den Augen.
»Er verdient den Tod, Merrik.«
»Ja, Oleg. Er hat meinen Bruder heimtückisch ermordet. Das grenzt an Wahnsinn. Schafft ihn in die Hütte des Schmieds. Snorri soll ihn neben der Feuerstelle anketten. Er soll in seinem eigenen Schweiß schmoren.«
»Nein! Ich habe Erik nicht getötet. Ich sah sie ohnmächtig am Wegrand liegen und freute mich, weil ich vorher Eriks Leiche gefunden hatte. Sie muß ihn erschlagen haben. Ich weiß, daß sie es war!« krächzte Deglin entsetzt.
Laren sah zu, wie Deglin, der sich immer noch verzweifelt verteidigte, um sein Leben zu retten, fortgeschleppt wurde.
»Es ist vorbei.«
»Nun frage ich dich, meine Skaldin, was soll ich mit Deglin tun?«
Sie schwieg, ihr Blick schweifte über Merriks Schulter zu den reifen Gerstenfeldern hinüber, wo ein Sklave auf und ab ging und mit einem Stock gegen eine Eisenpfanne schlug, um die Vögel zu verscheuchen.
»Er hat Erik heimtückisch erschlagen.«
»Ja, das stimmt. Aber ich verstehe das nicht. Wieso hat er nicht mich getötet? Er hatte doch nichts gegen Erik.«
»Weil ich ihm das rohe Fleisch vom Rücken gepeitscht hätte, ohne ihn auch nur ein Wort zu seiner Verteidigung sagen zu lassen. Er glaubte, wenn er Erik tötet, würde man dir die Schuld geben, und er könnte sich ins Fäustchen lachen.«
»Es tut mir so leid um Erik.«
»Ja. Ein sinnloser Tod. Er fehlt mir sehr. Wenigstens haben wir den Schuldigen gefunden. Ich habe einen Boten zu meinem Bruder Rorik auf die Habichtsinsel geschickt. Er und seine Frau Mirana besuchen uns bald. Antworte, Laren. Was soll ich mit Deglin tun?«
»Man könnte ihn zu meinem Onkel Rollo schicken. Dort wird er vor Gericht gestellt und bestraft.«
Merriks Nasenflügel bebten. »Rollo würde Deglin von vier Pferden zerreißen lassen, oder ihn mit dem Kopf nach unten in einen Wolfszwinger hängen. Für seine Barmherzigkeit ist dein Onkel nicht gerade berühmt.«
»Nein, fein Wikinger läßt Gnade vor Recht ergehen. Ich würde ihn töten, aber nicht auf so grausame Weise.«
»Und wie würdest du ihn töten?«
»Ich würde ihn nur mit einem Messer bewaffnet im Wald aussetzen. Soll er sich etwas einfallen lassen, um zu überleben, er hält sich doch für so klug.«
»Er könnte überleben. Das Risiko darf ich nicht eingehen. Damit würde ich die Götter und mein Volk beleidigen.«
Sie seufzte. »Du hast recht. Töte ihn.« Nach einer Pause setzte sie hinzu: »Aber er hat das Verbrechen nicht wirklich gestanden.«
»Er hat Erik getötet.«
»Er hat nur zugegeben, mich bewußtlos gefunden zu haben. Hast du keinen Zweifel, Merrik?«
»Nicht den geringsten.«
Die Bewohner von Malverne sprachen Deglin schuldig. Alle hatten gehört, wie schlecht er über Laren geredet hatte, wie bitter und haßerfüllt er gegen sie war, nachdem sie seine Stellung eingenommen hatte. Merriks Gefährten berichteten obendrein, wie Deglin auf der Heimfahrt Laren vor Eifersucht ins Lagerfeuer gestoßen hatte, wo sie sich schwere Verbrennungen am Bein zugezogen hatte. Deglins Ersparnisse wurden Merrik für Eriks Leben ausgehändigt, wie es der Brauch war. Niemand wünschte, daß er zu Herzog Rollo in die Normandie geschafft wurde. Sie wollten ihn tot sehen, und zwar je eher desto besser. Es war Merriks Aufgabe, ihn zu erdolchen. Merrik wollte es so schnell wie möglich hinter sich bringen. Die Hinrichtung sollte im Morgengrauen des folgenden Tages stattfinden.
Der Morgen war kühl, die Wolken hingen tief am Himmel. Die Bewohner standen im Halbkreis vor der Hütte des Schmieds und warteten, daß Deglin herausgeführt wurde. Merrik, Snorri und Oleg betraten die Hütte und fanden Deglin tot vor. Er hatte es geschafft, sich von der Kette zu befreien und sich ein Messer ins Herz zu stoßen, ironischerweise war es eines von Eriks Messern, das in der Hütte lag, um von Snorri geschliffen zu werden.
»Bei allen Göttern«, rief Snorri wütend. »Ich hätte Wache bei ihm halten sollen! Aber ich konnte sein Jammern nicht mehr hören. Jetzt hat er sich selbst gerichtet.«
Alle bedauerten, daß er einen so schnellen und leichten Tod gefunden hatte. Wieso, fragte sich Merrik, hatte Deglin nicht versucht, zu fliehen? In Freiheit zu sterben war doch dem sicheren Tod in der Gefangenschaft vorzuziehen, sollte man meinen.
Merrik ließ Deglins Leiche in den Wald schaffen. Er verdiente keine Wikinger
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