Der Herzberuehrer
hervor. Ich begann zu begreifen, wo ich mich gerade befand.
Ich sah Daniele vor mir, vage, wie in einem Film, seine Verletzungen, die Verbrennungen, und ich sah Shiro, wie er abgemagert und verletzt vor mir auf dem Kies meiner Auffahrt gelegen hatte. Die selben Wunden, lange nicht so ausgeprägt wie bei Daniele, doch verwandt in der kranken Idee dahinter.
Die Desinfektionsmittel, das Bügeleisen, das Gaffa. die Matratze, der Stuhl... die gedämmten Wände...
»...Hier muss... das... ich... hier...«, brachte ich zusammenhanglos hervor.
»Genau! Das denke ich auch...«, ergänzte Jack, nicht um mich vorzuführen, sondern weil er ganz genau wusste, was ich eigentlich sagen wollte.
Minuten später befanden wir uns wieder im Flur, im Hellen, die Tür der Kammer fest verschlossen, und ich stellte fest, dass ich fror.
»Komm - lass uns nach unten gehen...«, sagte Jack leise. Es war eine behutsame Aufforderung, ihm zu folgen.
·
»Wir sollten die Carabinieri rufen...«, überlegte ich wenig später, etwas gefasster, während ich meinen kalten Espresso hinunter kippte. Auf meinen Wunsch hin hockten wir draußen, vor'm L'amo auf einem Mauervorsprung und rauchten.
»Um was damit zu erreichen? Dass das L'amo geschlossen wird?«
»Um Spuren zu sichern...«, schlug ich vor.
»Luca. Den Staat hättest du rufen müssen, als dein Lampion bei dir da oben als klappriger Bastelbausatz abgekippt worden ist. Wie willst du denen denn verklickern, warum du dich erst jetzt meldest und nicht damals, als Gefahr in Verzug bestand?«
Ich zog an meiner Zigarette und dachte darüber nach. Jack hatte wieder mal Recht. Damals hatte mich mein Instinkt davon abgehalten, die Carabinieri zu rufen. Shiro, vollgepumpt mit Drogen: Wie hätte das ausgesehen? Ich war mir sicher gewesen, das selbst in den Griff zu bekommen. Und ich hatte damit gerechnet, dass mein Japaner alles klären und dann auch Anzeige erstatten würde. Es war anders gekommen, und bis heute wusste ich nicht, wie ich das bewerten sollte.
»Wer tut so was...«, fragte ich, immer noch fassungslos.
»Na, diese durchgeknallten Jesuiten-Brüder vom Orden dieser verfickten Klosterschule, dachte ich?«
»Ja... nein, hier... Wer hat das da oben gemacht. Und wieso vor allem? Nur um Shiro zu schaden?«
»Shiro und Daniele...«, ergänzte Jack. »...Vergiss nicht, dass es aussehen sollte, als ob Daniele derjenige gewesen wäre, der...«
Ich wand meinen Kopf und betrachtete Jacks Profil. Es war ein vertrautes Bild, wie er da mit gespitzten Lippen an seiner Menthol-Zigarette zog, wie es so seine Art war, wenn er mal rauchte. Ich betrachtete seine erstaunlich langen Wimpern, das unwirkliche Grün seiner Augen, die nun in der Ferne etwas zu suchen schienen, und ich freute mich insgeheim, dass er soeben Daniele in Schutz genommen hatte, ihn, den Durchgeknallten, den er im Grunde nicht einmal ausstehen konnte.
»Es muss jemand aus dem L'amo sein. Jemand, der dort arbeitet oder gearbeitet hat...«
Jacks linke Augenbraue zog einen arroganten Bogen, während sein Blick in den meinen tauchte, offenbar um zu scannen, wie weit es mit mir noch her war, Hirn-Technisch.
»Tja, und die Erde ist rund, Luca. Herrjee, dass ist ja nun doch so was von absolut logisch.«
Achtlos schnippte er seine Zigarette hinter sich in eine hübsch angelegte, Böschung.
»Ich darf ja wohl mal laut denken...«, erwiderte ich leicht gekränkt, innerlich aber froh, etwas vom alten Jack wiederzuerkennen. »Außerdem habe ich gerade eben erst von diesem Raum erfahren. Wie lange weißt du denn schon davon, hä?«
»Das ist der springende Punkt. Darum wollte ich, dass wir uns treffen...« Und prompt reagierte er wieder verhaltener, fast schon betroffen. »Ich weiß erst davon, seit ich - die hier habe...« Und damit zog er einen Schlüsselbund aus seiner Jeans, den er mir in meine linke Hand drückte. Acht verschiedene Schlüssel waren an einem Ring befestigt, zwei kleinere, für Briefkästen oder ähnliches, ein einfacher Bartschlüssel, der zu so etwas wie einem Schuppen gehören konnte und fünf normale, wie sie für Wohnungen und Häuser hergestellt wurden. Einzige Zierde dieser Sammlung bildete ein kleiner Anhänger, an dem sich eine, in Gießharz eingeschlossene Heilige befand. - Madonna von Bonaria - stand darunter.
»Was ist das...?«, fragte ich eher mechanisch.
»Das eben, Luca, ist mein Problem...« Und erst jetzt fiel mir auf, wie sich seine Lippen zu einem Strich zusammengezogen hatten, seine Augen
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