Der Herzberuehrer
Raum, ließ meinen Blick über Altvertrautes wandern, hängte den magischen Schlüssel an seinen dazugehörigen, blankgeputzten Messinghaken hinter der Theke und sah mich um.
Der Geruch hatte sich geändert. 'Feine Küche' wurde hier offensichtlich schon seit längerem nicht mehr zubereitet, eine gründliche Reinigung war ebenfalls ausgeblieben. Und so bekam dieser Raum erstmals die Chance, sein eigenes, in den Mauern verborgenes Aroma zu entfalten. Alt roch es, ein wenig ehrwürdig, etwas nach Geschichte. Nicht übel, aber fremd...
Ich bediente einen verborgenen Schalter unterhalb des Tresens und tauchte die Theke in goldenes Licht. Ein zweiter 'Klack' und auch die eingelassenen Deckenleuchten über den Tischen taten ihren Dienst.
Dann startete mein innerer Film.
Zunächst die Geräusche: Besteck auf Geschirr, dieser einzigartige, unverwechselbare Klang, eine Mischung aus Klirren und Kratzen, unterschwelliges Gemurmel, ab und zu ein Lachen, verhalten jedoch, ganz dezent. Gläser, deren Kristall zu einem festlichen 'Pling' aneinander stieß. Dazu, aus der Ferne die Küchengeräusche, welche über die Durchreiche spürbare Geschäftigkeit ahnen ließen. Musikberieselung gab es bei uns nicht. Schon Matteo hatte diese Form von Unterhaltung als 'nerviges Einlullen' strikt abgelehnt, eine Sicht, die wir alle ausnahmslos teilten.
Dann die Bilder: Renzo, immer Renzo. Mein Lorenzo, wie er in klassischer Kellnerkluft zwischen den gut besetzten Rundtischen umhermanövriert, gelassen, professionell, Getränke sowie das von uns Zubereitete servierend, die überdimensionierten, in tiefblauem Leinen gebundenen Karten verteilend, sie wieder entgegennehmend, beratend auf die Tafel verweisend... Und schließlich Mutter! Valentina, wie sie auf die Gäste zuschreitet, ihnen die Garderobe abnimmt, sie zu ihren Tischen geleitet. Würdevoll, stets charmant, unaufdringlich...
Ich griff mir ein Glas aus dem Regal, ein einfaches für Wasser, entkorkte einen Roten von Sapputere, welcher seit jeher neben der Kasse lagert, schenkte mir ein und trank einen großen Schluck.
Renzos Rat zu folgen war leichtgefallen.
Alle fanden, dass das eine gute Idee sei. Tomaso war es dann schließlich gewesen, der mir besagten Schlüssel überreicht hatte. Urplötzlich befand sich seine überhitzte Hand auf meiner Schulter, eine Anwandlung plumper Vertraulichkeit, Tomaso eben. Und als sei es damit nicht genug, raunte er mir noch ein verschwörerisches ' Überleg's dir gut, Luca! Das D’Agosta!' zu, vermutlich überzeugt davon, dass das nun maßgeblichen Einfluss auf meine Entscheidung haben würde. Idiot... Zwei Tage hatte ich...
48 Stunden, in denen ich herausfinden sollte, wie ich zu diesem unerwarteten Angebot stand: Maître unseres Familienrestaurants zu werden.
Mein Traum... seit jeher...
·
Ich war allein...
Ein Novum!
Den Abend zuvor war mir das gar nicht aufgefallen, doch nun, am darauffolgenden Morgen, als sich mein Auge öffnete, ging mir genau dies als erstes durch den Kopf. Ich war ganz alleine hier...
Mein Blick wanderte über die vertraute Zimmerdecke hin zum Ostfenster, durch das ein schmaler Streifen Morgensonne fiel.
Noch nie zuvor in meinem Leben war ich in diesem Haus je allein gewesen. Zumindest nicht bewusst, und ganz sicher nicht über Nacht.
Wie bizarr. Das machte es fremd für mich.
Zum Schlafen hatte ich mich in die Dachkammer zurückgezogen, etwas schwer vom Wein, jedoch nicht betäubt, wie die Abende zuvor. Ich hatte viel geraucht, war immer wieder durch die einzelnen Räume gestrichen, wie auf der Suche, hatte die vielen Veränderungen registriert, seit meinem Weggang vor drei Jahren.
Renzos Zimmer war genau wie das meine nicht mehr wiederzuerkennen. Logisch: Die gehörten jetzt zu Tomaso und Giade. Darum hatte ich auch in der Dachkammer übernachtet. Wenn ich es genau betrachtete, war diese einfache Kammer mittlerweile mein liebster Ort in diesem Haus. Von der Küche mal abgesehen.
Der Raum war langgestreckt und durch Dachschrägen in seinen Möglichkeiten begrenzt, aber er besaß Zauber.
Den Zauber von... ja... von Shiro ...
Dies war sein Zimmer gewesen, für fast ein Jahr. Hier hatten wir beide unsere erste gemeinsame Nacht verbracht. Unsere erste zärtliche... In diesem, nicht gerade breiten Bett, hatte ich viel von ihm erfahren, von seinem Leben vor Fano, seinen Ängsten und seiner Wut. Von seinen Träumen, Hoffnungen, Sehnsüchten. Wichtige Entscheidungen waren hier getroffen worden.
Einer Einsamkeit in
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