Der Herzberuehrer
zurückführte
»Wirmüssenunbedingt...«, tönte er denn wenig später denn auch angetrunken über den Tisch »...ja, wirmüssen... müssenunbedingt...!«
Ohne damit nennenswert weiter zu kommen, war er mit dem aussichtslosen Unterfangen beschäftigt, uns beide gleichzeitig zu umarmen. Shiro warf mir einen hilfesuchenden Blick zu, den ich nur mit einem ratlosen Achselzucken beantworten konnte.
»Wieso ist der hier...?«, fragte er mich später, im Treppenhaus des Gästetrakts, nachdem wir einen völlig berauschten Pius in einem der leerstehenden Mansardenzimmer untergebracht hatten.
»Er wollte dich sehen...«
»Aber deswegen muss er doch nicht gleich hier einziehen...«
»Er hat Stress mit seinem Freund...«
»Das ist doch noch lange kein Grund, dass...«
»Und warum bist du hier?«
Ich sah, dass er verstand. Für einen Augenblick sah er mich groß an, etwas irritiert, eine Frage auf den Lippen. Doch dann wandte er sich verletzt von mir ab. Das war nun wirklich nicht meine Absicht gewesen, und es tat mir Leid was, und vor allem, wie ich es gesagt hatte.
»Es ist etwas völlig anderes...«, versuchte ich es »...Entschuldige bitte.«
»Schon in Ordnung. Du hast ja Recht.«
»Nein, nein, das war gemein von mir. Außerdem bedeutest du mir was. Zwei, drei Tage, dann ist Pius Geschichte, versprochen.«
»Ich... bedeute dir was...?«
Seine Frage irritierte mich für einen Augenblick, weil sie sich eigentlich überhaupt nicht stellte - das war doch klar. Aber dann begriff ich, dass er vielleicht mehr herausgehört, und mich so möglicherweise missverstanden hatte.
»Ich habe Daniele gefunden...«, wechselte ich apprupt das Thema, »...Und auch darum ist Pius hier.«
Shiro verharrte auf einer der Stufen und sah mich groß an. »Was heißt – gefunden?«
»Er wurde am Rande der Altstadt gefunden und in eine Klinik gebracht. Da hat man ihn wieder zusammengeflickt.«
»Hat er sich selbst...?«
»Nein!« Er sollte ruhig die Wahrheit kennen. »Pius und ein paar Ehemalige vom L'amo haben Dampf abgelassen.« Ich öffnete die Türe vom Gästetrakt und hielt sie ihm auf. Die Dämmerung kündigte sich an. Also war es langsam an der Zeit, mich an meine Arbeit zu machen.
»Sie haben das unter anderem deinetwegen getan. Verstehst du...?«
Er sah mich entgeistert an und schüttelte den Kopf »Nein, tue ich nicht...«
»Auge um Auge, Zahn um Zahn. Sie gehen davon aus, dass es Daniele war, der dich so zugerichtet hat, so wie du ja auch. Na, und dann hatten sie ausserdem selbst noch eine Rechnung mit ihm offen...«
»Wieso...«, fragte Shiro kaum hörbar. Seine Arme hingen schlaff an seinem Körper herab. Wie er da so mitten auf dem Hof stand, machte er den Eindruck, als hätten meine Worte ihm jede Energie entzogen.
»Na ja, sie machen ihn dafür verantwortlich dafür, dass sie damals gefeuert wurden.«
Ich war ebenfalls stehen geblieben und sah in das immer noch fassungslose Gesicht mir gegenüber.
»Ja, aber es gab doch Gründe! Das war eine Entscheidung von uns beiden und die ist uns, verdammt noch mal, nicht leicht gefallen. Wie kommen sie nur darauf, dass...«
Seine Stimme war immer leiser und leiser geworden, so als begreife er langsam etwas.
Nach einem scheinbar endlosen Moment ging ich auf ihn zu und legte ihm meine Hand auf seine Schulter. »Frag Pius«, sagte ich nur und sah ihm in seine Tränen verhangenen Augen.
Pius zu fragen erschien mir als der einfachste Weg. Und mit diesem Rat ließ ich ihn zurück, um mich an meine Arbeit zu machen.
·
Pius blieb für fünf Tage. Fünf Tage, die es in sich hatten.
Am Sechsten schmiss ich ihn raus. Jack hatte Recht behalten, ich kroch auf dem Zahnfleisch.
Aber diese fünf Tage hatten auch ihr Gutes. Ich erfuhr eine Menge über die Zeit nach unserer Trennung. Außerdem war auch Daniele häufig Gesprächsthema. Das half mir, mein vages Bild von ihm zu komplettieren.
Shiro erzählte viel in diesen fünf Tagen, und es verblüffte mich zu sehen, dass er mehr und mehr wieder der Alte geworden war. Jener Shiro, den ich einmal gekannt und geliebt hatte. Seine innere Blockade schien so gut wie überwunden, vertrautes Selbstbewusstsein und eine Kraft, die aus ihm heraus zu wachsen schien, verdrängten mehr und mehr sein beinahe schon hündisches Gehabe, sein Anbiedern und diesen mir völlig fremden Wesenszug, sich so klein wie möglich zu machen.
All das entlockte ihm auch Pius und sei es durch seine unnachahmliche Art, die sowohl mich als auch Shiro immer wieder
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