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Der Herzberuehrer

Der Herzberuehrer

Titel: Der Herzberuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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aus der Fassung brachte.
    Pius bastelte sich seine Welt. Er kreierte seine eigenen Wahrheiten, seine Geschichten und rückte sich das Drumherum so zurecht, dass am Ende alles zu passen schien. Das fatale war, dass er tatsächlich und ohne Abstriche alles glaubte, was er so von sich gab. Offensichtliche Unstimmigkeiten in seinen Konstrukten nahm er einfach nicht zur Kenntnis.
    Dazu kam ein unerschütterlicher Glaube an sich selbst. Das war ja per se nichts schlechtes, wobei mir schleierhaft war, womit er dieses grandiose Eigenbild nährte. Doch er paarte diesen fixen Glauben mit einem hingebungsvollen Minderwertigkeitskomplex, und dies genau war das Problem. Denn die Folge war ein beinahe ausschließlich beleidigter Pius, der versuchte, durch eine verstiegene, enervierende Angriffs-Strategie all die eigenen Wesenszüge auszugleichen, die ihm ständig zu entgleiten drohten.
    Das hatte zur Folge, dass ich innerlich bereits begann, panisch wegzulaufen, wenn er nur mein Gesichtsfeld kreuzte.
    Aber wie gesagt: Bei Shiro hatte diese Methode fast schon eine heilerische Qualität.
    Denn er musste sich behaupten, den wirren Pius-Sichtweisen etwas entgegen setzen. Das forderte und stärkte ihn.
    Na, und es nervte ihn.
    »Du willst mir tatsächlich sagen, du weißt nicht mehr, warum wir euch gefeuert haben?«, begann zum Beispiel einer dieser Dialoge, die so typisch waren für diese fünf Tage.
    »Du meinst, warum Ele...«
    »Nein, meine ich nicht! Ich meine wir . Das war unsere Entscheidung.«
    »`Ele mochte uns nicht, das war der Grund. Das war so was von klar. Er konnte es einfach nicht ertragen, dass wir uns gut verstanden haben.«
    »Bullshit! Der Grund war, dass ihr im L'amo gedealt habt. Das war der Grund!«
    »Ist doch nur vorgeschoben. Das bisschen. Was soll das für ein Grund gewesen sein.«
    »Was das für ein...? Sag mal bist du...?«
    »Aber Èle war es doch, der...«
    »Verdammt, lass Èle aus dem Spiel...«
    Oder dies:
    »Ohne mich hättest du das L'amo sowieso nie bekommen.«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Das ich dich ins L'amo gebracht habe. Nur so hast du es schließlich bekommen.«
    »Naja, rein gebracht hast du mich, das stimmt schon, aber bekommen hab ich `s ja eher durch Luca...«
    »Ja, aber doch nur, weil ich dich rein gebracht habe.«
    »Guut, wenn`s dir so wichtig ist...«
    »Wieso wichtig? Es ist, wie es ist...»
    Am sechsten Tag brachte ich Pius zum Bahnhof von Busalla.
    Er war beleidigt, fühlte sich abgeschoben.
    Es war mir egal. Wir waren einfach nur froh, ihn los zu sein.
    ·
    Die Nächte brachten nun, gegen Ende des Jahres, so viel Morgentau, dass er sich bis zum späten Mittag auf der Wiese hielt und sie mit glitzernden Perlen überzog. Es war ein vergleichsweise milder Herbst mit überraschend vielen, warmen Sonnenstunden, doch nach Einbruch der Dämmerung kühlte es sich empfindlich ab. Es war die Zeit, die ich früher in Fano immer besonders geliebt hatte. Für wenige Wochen zog sich die Stadt in sich selbst zurück, beinahe befreit von Touristen, ganz auf sich gestellt. Eine entspannte, angenehme Stimmung, in der unser Vater die Zeit nutzte, aufgeschobene Dinge zu erledigen, notwendige Reparaturen vorzunehmen und der Familie mehr Raum zu geben. Man traf sich mit Freunden, bummelte durch die Straßen, ohne sich dabei fremd vorzukommen und genoss den leeren Strand, der mit einem Mal nur noch denen gehörte, die dauerhaft an ihm lebten.
    Ganz anders die Berge. Der Winter wurde hier zur einsamen Zeit. Geborgenheit gab es eigentlich nur, wenn man sie mit jemandem teilen konnte. Dazu kam, dass auch das Klima rauer ausfiel, als an der Küste, deutlich kälter.
    Was mich jedoch verblüffte war, dass der Tourismus weiterlief. Brachen an der Küste die Buchungen ein, so konnte ich kaum einen Schwund an Anfragen feststellen. Doch andererseits war es auch logisch, denn gerade die Herbst und Wintermonate erwiesen sich als die ideale Zeit zum Wandern.
    Drei Wochen im kommenden Monat hatte ich jedoch geblockt, da in dieser Zeit ja die Hochzeit stattfand.
    Klar, sie würde keine drei Wochen dauern, aber ich plante eine entspannte Vorbereitungszeit ein und dann vor allem so etwas wie Urlaub für mich selbst, um mich von meiner Familie erholen zu können.
    Das 'Luro' würde also für drei Wochen geschlossen bleiben. Ein Novum seit ich es betrieb.
    ·
    »Habe ich dir eigentlich mal erzählt, wie ich Daniele kennen gelernt habe?«
    »Nur am Rande.«
    Wir saßen nach meiner Schicht zusammen, in Decken

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