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Der Herzberuehrer

Der Herzberuehrer

Titel: Der Herzberuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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nicht so verfänglich gewesen wie jene von Shiro und Daniele, doch es hatte ausgereicht, um alles zu zerstören, was mich und meine Familie zusammengehalten hatte.
    Auf ihren Ekel reagierte ich damals mit Zorn. Für Shiro war das nicht möglich gewesen. Er verhielt sich passiv. Pure Verzweiflung und eine fast schon lähmende Resignation ließen nichts anderes bei ihm zu. Ich verstand warum...
    »Na, den Rest kennst du...«, holte er mich aus meinen Gedanken. »Mich haben sie zu euch geschickt, und Daniele kam aufs Internat.«
    »Weißt du mehr darüber?«
    »Nicht mehr als du. Darüber spricht er nicht.«
    Ich nickte mechanisch und ließ meinen Blick nach draußen durch die Regenschlieren auf der Scheibe, in die Baumwipfel wandern. Seit zwei Tagen schon hatte dieses Wetter unseren Berg fest in seinem Griff.
    Wenn ich eines gelernt hatte, in all den Jahren, dann, dass es wichtig war, über Dinge zu reden, die einen belasteten.
    Und das galt ganz sicher auch für Daniele...
    ·
    »...dann noch die Torte?«
    »Ja? Was ist damit?«
    »Na, hast du jemanden, der sich um die Torte kümmert?« Rebeccas Tonfall glitt leicht ins Schrille. »Du glaubst doch nicht, dass ich eine Hochzeitstorte über vier Stunden durch das Apennin kutschiere?«
    »Mach dir keine Sorgen, die Torte wird hier oben, vor Ort gebacken. Wie wir es besprochen haben.«
    »Na gut. Himbeere?«
    »Wir hatten uns auf Panna geeinigt, erinnere dich, wegen der Desserts...«
    »Ah, ja richtig, Panna. Stimmt ja...« Und dann, nach einem Moment, »Luca...?«
    »Ja?«
    »Bin ich wirklich so schrecklich wie ich gerade ahne, dass ich es bin?«
    »Die ehrliche oder die andere Antwort?
    »Die andere..."
    »Du bist... wunderbar...«
    »Du lüügst...«
    ·
    Noch am selben Abend rief Fabio an, um mir mitzuteilen, dass ihm Campo Visione eine Absage erteilt hatte.
    »...Eine vorläufige...« , relativierte er etwas genervt. »...Das Projekt verzögert sich. Ich bin aber im Boot. Fragt sich nur, wann es ablegt...«
    »Wie poetisch...«
    »...Ist aber tatsächlich was dran. Es geht um eine Reportage über die geplante Bohrinsel vor Pantelleria . Die kneifen jetzt, wegen der Deepwater, verstehst du? Aber das schöne ist - wir sehen uns. Freust du dich?«
    »Klar freu ich mich.«
    »Wirklich? Ich komme morgen gegen Abend zurück. Passt das?«
    »Komm einfach wann du willst...« Es verblüffte mich, dass er fragte. Das war sonst nicht so seine Art. Aber als ich später über das Telefonat nachdachte wurde mir klar dass das nur eins bedeuten konnte. Fabio wusste Shiros Anwesenheit immer noch nicht richtig zu deuten und so gab er uns die Möglichkeit, dass wir...
    Ich sponn den Gedanken nicht zu Ende, aber Fabios Verhalten berührte mich irgendwie. Und ich freute mich wirklich auf ihn. Seine Nähe tat mir zur Zeit einfach gut. Außerdem lenkte er mich auch von düsteren Gedanken ab.
    Vor allem Daniele verfolgte mich nach wie vor, wobei es eher unausgesprochenes und beklemmende Ahnungen waren, die mich beschäftigten. Wie angenehm war da die Vorstellung, wieder einen Fabio um sich zu haben. Ein Gedanke, der mich mit einem Lächeln einschlafen ließ...
    ·
    »Vittorio Guttarello in Busalla...«, beantwortete Orlando meine Frage nach einer brauchbaren Adresse für Hochzeitstorten, und Sandra nickte eifrig, wie ein blechernes Aufziehspielzeug.
    »Konditormeister in der dritten Generation!«, versicherte sie; »...Und vor allem schmecken sie nach was.«
    »Na dann...« Ich nickte erleichtert und freute mich im Stillen, dass ich eine Lösung für mein Problem gefunden hatte.
    »Zwei- oder dreistöckig, was meint ihr?«
    »Dreistöckig...«, bestätigte mein Chor wie erwartet, und ich gab mich erfreut.
    »Könntet ihr das in Auftrag geben? Panacotta-Geschmack, ohne Plastikbrautpaar, dafür mit Zartbitterdekor.«
    Orlando hatte schon den Küchenstift gezückt und notierte sich meine Bestellung mit seiner eigenartig schönen Handschrift.
    »Der Termin ist...«
    Ich schwieg, als ich den beinahe verletzten Ausdruck in Sandras Gesicht vernahm.
    »Wir wissen ganz genau, wann die Hochzeit stattfindet, Luca... was denkst du denn?«
    Ihre Anteilnahme rührte mich zwar, aber sie nervte auch etwas.
    »Wartet ab, bis sie hier einfallen...«, orakelte ich daher schnippisch »...Ihr werdet den Tag noch verfluchen, glaubt mir...«
    »Familie ist Familie...«, sinnierte Orlando seherisch, begleitet von Sandras gebetsmühlenhaftem Kopfgenicke, ohne sich der Sinnlosigkeit seiner Worte bewusst zu werden.

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