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Der Herzberuehrer

Der Herzberuehrer

Titel: Der Herzberuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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Ich nickte freundlich zurück, dachte im Stillen - ihr werdet schon sehen - meinen Vater vor Augen und machte mich wieder an meine Ravioli.
    Eine Hasenfüllung stand auf der Abendkarte, die von mir im Finale mit etwas Parmesan und einem Hauch Rosmarin abgerundet wurde. Um den starken Aromen Raum zur Entfaltung zu geben, reichten wir ausschließlich zerlassene Butter und etwas geschlagene Sahne dazu, die durch einen Schuss Rote Beetesaft und ein paar lose darüber gestreute Preiselbeeren für gewollte Irritationen auf dem Teller sorgen würde.
    Sandra hantierte indes an einer geschmorten Kalbshaxe herum. Ihr Ziel: Ein gehaltvolles Ragu, das sowohl zu Trendette als auch zu Gnocci mundete. Und Orlando - ja, Orlando saß irgendwann, wie so häufig in der letzten Zeit, etwas kurzatmig auf unserem Küchenschemel und pflückte verschiedene Salatköpfe zu schmackhaften Mischungen zusammen.
    Orlandos Gesundheitszustand beschäftigte naturgemäß vor allem Chip, die mehr und mehr befürchten musste, das bestehende Arbeitspensum auf bald nur noch fünf Schultern verteilen zu können. An diesem Abend spielte das jedoch keine Rolle. Die Stimmung pendelte sich zwischen gelöst und heiter ein, wofür ich bei mir selbst unter anderem die Vorfreude auf Fabios Kommen und das Ausbleiben weiterer Hochzeit-Blabla’s mitverantwortlich machte.
    »Könntest du dir vorstellen, ab und zu in der Küche auszuhelfen?«, fragte ich Shiro später, den schlappen Orlando vor Augen, als wir zu vorangerückter Stunde noch bei einem Roten zusammen saßen. Im Hintergrund waren das A und ein muffiges C dabei, die letzten Handgriffe der Schicht zu erledigen, wie mir das nervige Stühle-rücken verriet.
    Es war mir klar, dass dieser Wein in unseren Gläsern für längere Zeit eine unserer letzten Zusammenkünfte besiegeln würde - zumindest am Abend.
    »Fänd ich super...«, willigte Shiro bereitwillig ein, und sein Lächeln zeigte mir, dass er es genauso meinte. Im Grunde war ich mir dieser Antwort sicher gewesen. Er schuldete mir was, das war das eine, aber ihm fiel so langsam auch die Decke auf den Kopf, und das war es vor allem.
    Rumhängen entsprach einfach nicht seiner Art, und nun, nachdem er wieder hergestellt war...
    »Dann machen wir es so?«
    Wir machten es so...

9.

    In Genova gab es in der Via dei Giustiani ein Schreibwarengeschäft, in dem ich schon zu Zeiten meines Caterings genau jenes Papier bekam, welches ich für meine Menükarten am liebsten verwendete. Signora Ferretto hieß die steinalte, krummgewachsene Papierfee, die den kleinen, vollgestellten Laden zusammen mit ihrer unwesentlich jüngeren Schwester betrieb. Neben einer ausgesucht umfassenden Papierauswahl bekam man eben auch alles, was man sonst so rund ums Thema benötigte. Genau aus diesem Grund fand ich mich zwei Tage nach Fabios Rückkehr dort ein.
    Die Kladde, die ich suchte, sollte sich von diesen üblichen, schwarz rot gebundenen Pappmodellen abheben. Etwas besonderes sollte sie sein und doch nicht zu extravagant. Ich entschied mich schließlich für ein Modell, welches außen mit warmgrünem Leder bezogen war. Die neunzig leeren Seiten darin waren sauber an den Ecken abgerundet, das Papier selbst war von ausgesucht feiner Struktur. Als Stift wählte ich einen schwarzen Füller mit extraweicher Feder. Damit schrieb es sich meiner Ansicht nach am angenehmsten, denn wenn meine Idee funktionieren sollte, bildete der Begriff 'angenehm' einen wichtigen Aspekt dabei.
    Im Anschluss fuhr ich in die Klinik, zu Daniele.
    Es war mittlerweile mein vierter Besuch in Zimmer 27, Station 4. Beim letzten Mal war ich auf die Idee mit der Kladde gekommen.
    Daniele saß in meinem roten Bademantel auf seinem Bettrand und aß so etwas wie eine dicke Suppe. Die ganze Station roch danach. Wonach genau, blieb, von einer künstlichen Sellerie-Note einmal abgesehen, ein Geheimnis für mich, doch der Einlage nach zu urteilen, hatte es etwas mit Bohnen zu tun. Clever, dachte ich so bei mir, Bettlägerige damit abzuspeisen.
    »Schmeckt's?«, fragte ich mechanisch, nachdem wir uns mit einer kurzen Umarmung begrüßt hatten, und zu meiner Überraschung nickte er zustimmend.
    Ich zog mir einen Stuhl heran, grinste dabei einem Alten im Nebenbett zu, der so tat, als lese er in einer Fußballzeitung und setzte mich.
    Daniele sah gut aus. Der Verband war aus seinem Gesicht verschwunden, die Lippe abgeschwollen, und auch das entzündete Gewebe rund um seine Stirnklammerung hatte sich weiter

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