Der Herzberuehrer
ich konnte ihn im Moment nicht ertragen. Nicht in diesem Moment.
»Es geht mir nicht so gut...«, sagte ich daher, um die Situation zu wenden, und irgendwie stimmte es ja auch. »...Nimm’s mir nicht übel... ich muss für einen Moment allein sein... glaub ich...«
Sein Griff löste sich, sein Kopf verschwand und mit ihm auch die angenehme Wärme, die er abgestrahlt hatte.
Verzeih, Fabio - dachte ich still in seine Richtung und beobachtete, wie er mir ein rätselhaftes Lächeln zuwarf, bevor er schließlich etwas bekümmert den Raum verließ, um was auch immer zu tun.
Jack hatte Recht gehabt. Ich hatte eine Verantwortung übernommen, der ich nun auch gerecht werden musste.
Und das würde nicht leicht für mich. Denn zunächst mal hatte ich nur für Verwirrung gesorgt.
Verwirrung bei Daniele, bei mir selbst und nun wahrscheinlich auch noch bei Fabio. Sein Blick beim Verlassen des Raumes ließ jedenfalls darauf schließen.
Wieso schaffte ich es nur immer wieder, mich in solche Situationen zu bringen. Ich besaß scheinbar ein ausgeprägtes Talent dafür. Da brauchte ich nur an Lorenzo zu denken.
Müde und bedrückt kippte ich den letzten Schluck Wein hinunter, drückte die Zigarette in meinem Aschenbecher draußen auf der Fensterbank aus, legte mich dann auf mein Bett und fiel beinahe sofort in einen traumreichen, unruhigen Schlaf.
·
Die üblichen zwei Umstände waren es, die die kommenden Tage mein Leben bestimmen sollten. Erstens: Daniele natürlich!
Was ihn betraf, so bestand zwischen uns nun ein unausgesprochenes Abkommen: Über die letzte gemeinsame 'Nacht' stillschweigen zu wahren. Es erleichterte mich unendlich, dass er da scheinbar ganz ähnlich dachte wie ich. Mir ging es nicht darum, so zu tun, als hätte diese Begegnung niemals stattgefunden. wirklich nicht. Ein wirklich schönes, wunderbar zartes Liebesspiel lag hinter uns, ganz gleich, was Jack darüber denken mochte. So schön und so zart, dass sich sogar etwas zwischen uns verändert hatte, denn geblieben war dieser kostbare Moment der Nähe. Dieses 'Herzberühren'. Es ließ mich freundlicher ihm gegenüber werden, geduldiger, offener. Und eines war mir nun ganz klar geworden: Niemals - dessen war ich mir absolut sicher - niemals wäre Daniele in der Lage dazu gewesen, Shiro das anzutun, was ihm widerfahren war. Nicht Daniele. Undenkbar. Ausgeschlossen. Vielleicht war es so etwas wie ein Wenig Vertrauen, was sich zwischen uns aufgebaut hatte. Von ihm zu mir vor allem. Denn auch Danieles Verhalten änderte sich von da an. Er gab sich nicht mehr ganz so kryptisch. Seine Verschrobenheit ließ nach und so etwas wie eine beständige Stimmung gewann die Oberhand. Ab und zu ergab es sich sogar, dass wir Gespräche miteinander führten, in denen ich völlig vergaß darüber nachzudenken, was denn wohl als nächstes, schräg Irrsinniges auf mich zukommen könnte. So viel zu Daniele...
Na, und dann, nicht zuletzt, als zweites, 'übliches' war da ja noch die Hochzeit. Das 'Luro' befand sich mittlerweile im 'Urlaub'. Dadurch hatten wir alle Zeit und Ruhe der Welt, das Fest der Feste ganz entspannt vorzubereiten. Wie sich rasch zeigen sollte, brauchten wir diese auch.
Für die Kapelle zum Beispiel.
Es war klar, dass sie ausgeräumt und entrümpelt werden musste. Doch was in der Theorie einfach und logisch klang, entpuppte sich in der Realität als echte Herausforderung. Der geräumige Holzschuppen hinter dem Kräutergarten, den ich als Stauraum für das Kapellengerümpel vorgesehen hatte, eignete sich nach näherer Begutachtung nicht mal bedingt. Voraussetzung war nämlich, dass alles, was wir dort lagerten, auch immer bequem zu erreichen war: Diverse Bain-Marie, zwei mobile Außen-Grills, die Gartenmöblierung für den Sommer, aber auch Sand, Rollsplitt und Salz für den Winter. Vor allem aber fürchteten wir um den Schuppen selbst.
In der Kapelle befanden sich hauptsächlich Bretter und über die Jahre verrottetes Mobiliar, wie hölzerne Kirchenbänke, zwei Stehpulte und ein einst wohl recht ansehnlicher Klappaltar, dessen verbliebene Fragmente den Kreuzgang Jesu Christi erahnen ließen.
Holzwurm - hieß das Problem. Ein Phänomen, das ich einfach nicht kannte. Beinahe das ganze Mobiliar war vom Holzwurm befallen, was uns nicht nur die vielen kleinen Löcher, sondern auch der Holzstaub bewies, der aus ihnen herausrieselte.
Holzwürmer waren für mich bis dato vergleichbar mit Einhörnern oder Zyklopen gewesen, mit Fabelwesen eben.
Ja wirklich!
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