Der Herzberuehrer
mir einen Umschlag in die Hand und folgte mir auf den Gang.
»Das sind meine Entlassungspapiere...«, erklärte er im Gehen, was bei mir die Frage aufwarf, was ich nun damit sollte.
»...Und?«
Immer noch verhielt ich mich reservierter, als ich eigentlich wollte.
»Dottore Valdena meinte, ich sollte sie dir geben, damit du sie dir in Ruhe ansehen kannst.«
»Hat er sonst noch etwas gesagt?«, fragte ich nun milder, auf dem Weg zum Wagen.
»Nur, dass ich auf mich aufpassen soll...«
»Und...?«, fragte ich wieder, verharrte im Gehen und sah ihm ernst in sein offenes, zartes, leicht irritiertes Gesicht »...Hast du das vor? Auf dich aufzupassen?«
Daniele sagte nichts, aber er schenkte mir ein ernstes Nicken, das ich als glaubwürdig akzeptierte.
Aber was blieb mir auch übrig.
Immerhin etwas.
Gut so...
·
Die Luft im vierten Stock in der Via Cesare 11 roch abgestanden. Also riss ich erst einmal die Fenster auf und genoss für einen Moment den allzu vertrauten Blick aus meiner alten Wohnung.
»Hast du schon mal daran gedacht umzuziehen?«, fragte ich, nachdem ich uns einen Café gekocht und die Vorräte verstaut hatte.
»Nein. Warum?«
»Na, weil das vielleicht so was wie ein Neuanfang für dich sein könnte.«
»Neuanfang...«
»Ja, klar...«, bestätigte ich, mehr und mehr begeistert von meiner Idee. »Keine komischen Erinnerungen. Ein ganz neuer Ort, ein neues Umfeld. Unbelastet...«
»Unbelastet...«
»Ja, genau!«
Zu spät bemerkte ich seinen Gesichtsausdruck.
»Du redest - Scheiße!«, bemerkte er trocken und ganz ruhig, wodurch die Härte seiner Worte noch unterstrichen wurde. »Es geht nicht darum, irgendein Zimmer in meinem Kopf neu anzumalen, Luca...« Sein Blick drang fest in mein Auge ein »...Es geht darum, dass ich lerne, es irgendwie zu ertragen, mich in diesem Zimmer aufzuhalten, verstehst du?«
Die Bildhaftigkeit seiner Worte traf mich ebenso unvermittelt wie die Klarheit, mit der er dies vortrug.
»...Ja, schon gut. War ja nur ne Idee...«
»Ich bleibe...«, erwiderte er schlicht, und prompt war da auch wieder sein Jungens-Lächeln, was mir so gut an ihm gefiel.
»Du bekommst noch Medikamente...?«, fragte ich nun zweifelnd, denn seine Stimmungsschwankung erinnerte mich fatal an alte Zeiten.
»Nein...«, lautete denn auch seine Antwort »...Das ist nicht mehr nötig!«
»Sagt wer?«
»Valdena...«
»Glaub ich nicht...«
»Dann lies doch den Bericht!«
Da hatte er Recht. Gute Idee. Und tatsächlich hatte Dottore Valdena keine Medikamente vorgesehen.
»Siehst du!«, verkündete Daniele triumphierend.
»Aber er empfiehlt hier eine Nachbehandlung, Therapie und betreutes Wohnen. Und darüber hat er auch mit mir gesprochen«.
»Wieso hat er mit dir darüber gesprochen?«
»Weil du mich als Kontaktperson angegeben hast. Bei deiner Einlieferung hast du mich als deinen Freund angegeben«
Stimmt ja...« Nun klang er weich, ganz in seiner Erinnerung. »...Was du ja auch bist...«
Oh Mann - er war wieder ganz der Alte. Kryptisch, wirr und unberechenbar.
»Erinnerst du dich an die - Kontrolle - Daniele?«
»Die... Kontrolle...?«
»Du hattest mich kurz vor dem Überfall gebeten, die Kontrolle zu übernehmen. Du hast das so genannt. Erinnerst du dich daran?«
Es schien ihm zu dämmern, denn sein Blick hellte sich auf. Er nickte wissend.
»...Und ich habe dann angefangen, so was wie einen Tagesrhythmus mit dir zu entwickeln. Kochen, einkaufen, so was in der Art, erinnerst du dich?«
»Ja klar, ich erinnere mich...« Ein Lächeln, etwas scheu, ein wenig lieb...
»Wollen wir da weitermachen?«
»Gerne...«
Und dann beugte er sich unversehens vor und küsste mich...
·
»Das hast du nicht getan!?«
»Doch... hab ich...«, antwortete ich kleinlaut und senkte beschämt den Blick.
»Aber... Warum?«
»Weil ich es ihm schuldig war...", log ich, "...So war der Deal...«
»Irre! Das ist der größte Irrsinn überhaupt. Hast du überhaupt ne Ahnung, was du da eventuell angerichtet hast?« Er klang aufrichtig entsetzt. Ich nickte ergeben mit dem Kopf.
So hatte ich Jack noch nie erlebt. Kein Sarkasmus, keine zynische Bemerkung. Jack war einfach nur stocksauer auf mich, und das ließ er mich spüren.
»Mann, der Junge ist nicht von diesem Planeten. Kapier das doch mal endlich. Ist dir klar, dass du möglicherweise einen Riesenschaden bei ihm angerichtet hast?«
»Das glaube ich nicht...«
» Das glaube ich nicht. Mensch Luca. Der tickt nicht wie unsereins. An einigen
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