Der Herzberuehrer
zu.
»Oh... schon wieder da...?«
»Ich wollte wissen, ob alles in Ordnung ist. Ob es dir gut geht...?«
»Ja klar. Wieso nicht...?« Nun lächelte auch er.
»Ich denke, wir haben vielleicht... na ja, das...«
»Geht es um vorhin...?«, fragte er irritiert und sah mich dabei groß an »...Hab ich was falsch gemacht...?«
Schlagartig wurde mir klar, dass ich schon wieder dabei war, einen großen Fehler zu begehen.
»Überhaupt nicht...«, versicherte ich schnell. »Ich dachte nur, dass es nett wäre, wenn wir noch Zeit miteinander verbringen würden... Du verstehst schon: Einfach Zeit...«
'Nett wäre' - ich kam auch auf großartige Formulierungen. Ganz toll! Aber Daniele lächelte sein Jungen-Lächeln und nickte dabei. Das beruhigte mich etwas.
»Das Buch ist nicht übel...«, eröffnete er mir, nachdem ich mich gesetzt hatte. Er klopfte anerkennend auf die Kladde. »Ich benutze es nun beinahe täglich. Es gibt so vieles, was ich aufschreiben kann...«
»Was schreibst du denn so?«
»Alles Mögliche. Was mir so durch den Kopf geht zum Beispiel, oder meine Wünsche...«
Das Interessierte mich.
»Wie sehen die denn so aus, deine Wünsche...«
Er klappte das Buch zu, verschränkte entspannt die Hände hinter seinem Kopf und grinste mich breit an.
»Das wüsstest du gerne...«
»Irgendwie schon...«, gab ich zu.
»Es ist nichts Besonderes, Luca. Keine großen Wünsche. Nichts Materielles. Eher kleine Selbstverständlichkeiten. Nur, dass sie eben nicht selbstverständlich sind, verstehst du?«
Ich verstand nur zu gut. Im Grunde war es bei mir sehr ähnlich. Mein Catering seinerzeit, die Koch-Show und auch das 'Luro', all diese Dinge hatten sich irgendwie ergeben. Aber es war nie so, dass ich sie mir gewünscht hätte. Einmal das D’Agosta zu übernehmen, ja, das war in der Tat ein Wunsch von mir gewesen. Aber nicht weil ich Besitz anhäufen wollte, nicht, um finanziell groß da zu stehen. Ich wollte einfach die Familientradition fortführen, so gut ich konnte. Das war mein Traum gewesen. Ein echter, ein geliebter und ein anerkannter Lauro zu sein. Mein großer Traum. Mein Lebensziel, wenn man so wollte. Und dazu würde es nun niemals kommen. Einfach weil ich war, wer ich war. Trotz meines Talents, trotz meiner Liebe zum D’Agosta. Ich war nun mal ich selbst.
All dies erzählte ich Daniele. Und es erstaunte mich, dass ich es tat. Dass ich diesem verrückten Pinsel mein Herz ausschüttete, das Innerste nach Außen kehrte. Dass ich mit ihm über Träume sprach, über geplatzte Sehnsüchte. Über Hoffnungen und über das Zerstören derselben.
Und dann, dann geschah etwas Eigenartiges, etwas unerwartetes - und in dem Moment, als es passierte, wusste ich, dass es sich wirklich um etwas Besonderes handelte, etwas ganz Besonderes.
Daniele und ich, wir waren uns nah.
Wir waren uns wirklich nah. Nicht körperlich, nicht auf sprachlicher Ebene, und auch nicht auf der des Verstandes. Nein, es war anders. Es hatte viel mit Vertrauen zu tun, etwas, wovon Daniele nur sehr wenig zu vergeben hatte, das begriff ich in diesem Moment. Und es ließ mich erahnen, welch ein Mensch er wohl mal gewesen sein musste. Dieser Moment zeigte es mir.
Daniele, der Herzberührer. So hatte Shiro ihn mir einmal beschrieben, und ich dachte, ich hätte ihn verstanden. Doch nun, als sich dieser zarte, verwundete Mensch vor mir zumindest ein Stückweit öffnete, da wusste ich, was er wirklich meinte.
Ich schloss innerlich meine Augen - denn dort besaß ich noch zwei davon - vor so viel Schönheit.
·
Als ich viele Stunden später oben an meinem Fenster stand, eine Menthol-Zigarette in der Linken, ein Glas fruchtigen Sangiovese in der Rechten und meinen Blick ins verhangene Tal wandern ließ, da überkam mich urplötzlich eine tiefe Traurigkeit, die ich nur schwer verbergen konnte.
Noch dazu, da Fabio hinter mir stand, seine Arme um meine Brust geschlungen, sein Kopf auf meiner Schulter ruhend, sein frischer Duft in meiner Nase ...
»Deine Schwester hat angerufen...«, plapperte er unbedarft in mein linkes Ohr. »...Und sie wollte mich sprechen, ist das nicht unglaublich... mich...« Ich hörte nur mit halbem Ohr hin, verfolgte kommentarlos, was Rebecca so alles von sich gegeben hatte und hoffte inständig, sein Redefluss würde einfach versiegen, ganz wie seine Berührungen, die ich im Moment nur schwer ertragen konnte.
Es war natürlich nicht seine Schuld. Er war zauberhaft. Ganz besonders, was seinen Umgang mit mir anging, aber
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