Der Herzberuehrer
überstanden und befand sich auf dem Weg der Besserung. Blutdruck und EKG sprachen dafür.
Irgendwann gesellte sich auch Fabio zu uns und registrierte erstaunt die wechselhafte Stimmung. Er hatte scheinbar überhaupt nichts von der gestrigen Nacht mitbekommen. Weder davon, dass man sich über uns das Maul zerrissen hatte, noch von Tomasos Ausbruch.
Anna setzte ihn schließlich ins Bild, das konnte ich an seiner Reaktion erkennen, als er mit ihr sprach und natürlich auch an den ungläubigen Blicken, die er dem lädierten Renzo zuwarf.
»Du hattest also völlig Recht...«, sagte er später, als wir zusammen eine Zigarette auf der Terrasse rauchten. »...Dein Bruder ist ein totaler Vollidiot.«
»Welchen meinst du?« An diesem Morgen traf das irgendwie auf beide für mich zu.
»Was ist das denn für 'ne Frage...?«
»Hat Anna dir nicht erzählt, worum es bei dem Streit ging?«
Er schüttelte den Kopf. »Hat sie nicht. Sie wusste es nicht. Aber spielt es eine Rolle?«
»Na ja, irgendwie schon...« Das fand ich wirklich, denn je länger ich Gelegenheit gehabt hatte, darüber nachzudenken, desto unfassbarer fand ich, welche Nummer Renzo gestern Abend abgezogen hatte.
»Und...?«, fragte Fabio neugierig nach, »...Worum ging es denn nun?«
»Renzo hat Tomaso gesteckt, dass zwischen ihm und mir mal was gelaufen ist. Auf ziemlich drastische Weise...«
»Wie denn...?«
Ich erzählte es ihm.
»Aua, Scheiße...«
»Genau! Wirf einen Stein auf ein Wespennest und du wirst gestochen. So in der Art...«
»Nur, dass du in diesem Falle der Stein warst.«
»Irgendwie schon...«
Ich merkte deutlich, dass mir der Gedanke missfiel. Ich wollte nicht irgendein Stein sein, wer will das schon? Ich wollte nicht benutzt oder missbraucht werden, wie es meinen Geschwistern gerade in den Sinn kam. Egal auf welche Weise - und wieder musste ich an die Kapelle denken und an Renzo. So wie es gestern gelaufen war, ging es gar nicht. Weder mit Rebecca und schon gar nicht mit Renzo. Da bestand Klärungsbedarf. Doch zunächst mal war ich immer noch viel zu müde, um an so was zu denken.
Allerdings stand, bevor ich mich hinlegen und ausschlafen konnte, noch ein Essen an. Immerhin: Das gab mir das die Chance, mich ohne Stress von der Familie zu entfernen. Eine wirklich verlockende Aussicht. Und ich konnte auf diese Weise gleich ein weiteres Problem angehen dass mir auf der Seele brannte. So hoffte ich zumindest...
·
»Mach ich echt sehr gerne, klar!«
Ich wusste, dass Shiro nicht widerstehen konnte.
Die Chance, Zeit mit mir alleine verbringen zu können, lockte ihn zu sehr, gerade nach unserem Gespräch gestern.
Also fanden wir uns gegen zwei in der Küche ein, um die verbliebenen Gäste mit einem Nachmittags-Snack zu versorgen.
Eine große Schüssel Wintersalate hatte ich dafür vorgesehen, dazu gebratene Tintenfische, Rebeccas Lieblingsessen.
»Was war hier los, heute Morgen?«, fragte er mich, während er dabei war, den Salat zu putzen.
»Tomaso war los...« Ich stellte die gesäuerten Calamari kühl und begann damit, Knoblauch zu hacken. Dabei berichtete ich ihm von dem Vorfall. Mir war klar, dass ich damit einige Fragen aufwarf, die nicht zuletzt auch uns betrafen.
»...Du und Renzo?« Er betrachtete mich eher fasziniert als fassungslos. »Ihr hattet was miteinander...?«
»Nur kurz...«, wich ich aus, ohne ihn dabei anzusehen. »...Das ist Geschichte.«
»Eigenartig - ich hatte mir so was gedacht. Aber ich konnte es mir einfach nicht vorstellen. Nicht bei dir... deine Moral...«
Das verstand ich sehr gut.
Immer und immer wieder hatte ich damals Shiros Verhalten mir gegenüber in Frage gestellt. Und jedes Mal waren es moralische Bedenken gewesen, mit denen ich ihn unter Druck gesetzt hatte. Immer zu unrecht, wie sich später herausstellen sollte. Im Gegenteil: Shiro war mir gegenüber eigentlich durchweg fair geblieben, loyal und ehrlich.
Ganz im Gegensatz zu mir...
Ich hatte es ihm wirklich nicht leicht gemacht.
Mir war klar, dass es überfällig war, ihm das einzugestehen, aber ich wollte einen passenderen Moment abwarten als diesen.
Außerdem war ich einfach zu müde für Geständnisse dieser Art.
»Hast du dir eigentlich mal über Jacks Vorschlag Gedanken gemacht?«, lenkte ich daher vom Thema ab. »Sein Angebot ist nicht schlecht.«
Shiro reagierte nicht sofort. Sein Messer wippte unschlüssig in seiner Hand, während er mich hilfesuchend ansah.
»Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll, Luca. Einerseits
Weitere Kostenlose Bücher