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Der Herzberuehrer

Der Herzberuehrer

Titel: Der Herzberuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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endlich hinaus, ins Freie, dem Sonnenaufgang entgegen, einem neuen Tag...

12.

    »Sag mal, spinnst du komplett?«
    Ich schrie nicht, ich brüllte. »...Die Nummer da drin war ja wohl so was von durchgeknallt...«
    »Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist... ehrlich...«
    »Ist mir Scheißegal! Weißt du was los gewesen wäre, wenn sie uns so erwischt hätten?«
    So in etwa hatte ich mir das Wiedersehen mit Renzo vorgestellt.
    Ich war stocksauer auf ihn, nachdem ich es schließlich geschafft hatte, die Situation zu entschärfen.
    Aber als er mir dann später, so gegen elf, halb zwölf tatsächlich wieder gegenüberstand, mit seiner verschorften Unterlippe, den diversen blauen Flecken und einem ebensolchen Auge, da verpuffte meine innere Wut wie Wasserdampf und machte stattdessen meinem üblich verwirrt lieblichen Gefühl der Zuneigung Platz.
    Sein Blick sendete mir Schuldbewusstsein, was mir irgendwie gut tat - ihm musste also klar geworden sein, dass da etwas gründlich schief gelaufen war, zwischen uns.
    »Wie geht es dir ...?«, fragte ich leise, so dass die anderen um uns herum es nicht mitbekamen, denn ich machte mir Sorgen, ob er vielleicht mehr abbekommen hatte, als der äußere Schein vermuten ließ. Als Antwort erhielt ich ein zögerliches Nicken, nicht mehr, aber es genügte mir, um zu verstehen, und es beruhigte mich zugleich.
    Insgesamt befanden wir uns in einer eigenartig beklemmenden Situation. Wir - das waren außer Renzo und mir noch die Cabareses, von Sebastian mal abgesehen, Antonio, mein Großvater Matteo und Anna. Der Rest schlief noch oder ging einem Zusammentreffen vermutlich aus dem Weg, was ich nur zu gut verstehen konnte. Was sollte man auch sagen, nach so einer Nacht. Wirklich jeder hatte es mitbekommen...
    Wir saßen oder standen im aufgeräumten Speisesaal, tranken jeder für sich Caffè, aßen süße Hörnchen und wem danach war, der konnte auch rauchen. Was wir nicht taten, war - miteinander zu reden. Wir sahen geflissentlich aneinander vorbei, freundlich zwar, aber hilflos irgendetwas zu unternehmen, einen Stein ins Rollen zu bringen.
    Doch schließlich, nach einer gefühlt endlosen Zeit, ergriff Matteo für einen Moment das Wort, ausgerechnet mein wortkarger Matteo, und er teilte nur kurz, wie beiläufig mit. »Wen es interessiert...Tomaso ist abgereist... heute, in aller Frühe«
    Ja, und eigenartigerweise war ich es dann, der darauf reagierte, in dem ich fragte: »Wirklich? Er war doch völlig betrunken...«
    »Dazu kann ich dir auch nichts sagen, mein Junge...«
    »Und Giade...?« Das war Renzo.
    »Sie wird ihm mit dem Zug folgen... verträgt die Serpentinen nicht...«
    »Ich war bei ihr...«, ergänzte Anna, »...Es geht ihr nicht gut.«
    Und das war es dann auch schon.
    Ende des Gesprächs.
    ·
    Eine Stunde zuvor hatte ich mir ausgemalt, was dieser Tag wohl bereithalten könnte und welche Rolle mir dabei zuteilwerden würde, aber da mich Gedankenspiele auch nicht weiter brachten, ich auch einfach viel zu müde dafür war, entschloss ich, es einfach auf mich zukommen zu lassen.
    So wie in der Kapelle...
    Dort war uns zumindest ein weiteres Drama in der Lauro-Cronik erspart geblieben. Vorerst.
    Renzo konnte dank meiner Opferbereitschaft unbemerkt entfliehen, und ich, nach einer Viertelstunde ungewollter, spröder Konversation mit meiner Mutter, endlich ins Bett.
    Es war irgendwie ein verrückter Zustand. Einerseits spürte ich meinen Körper kaum noch, andererseits tat mir alles weh. Ich fühlte mich an, wie aus Eis. Wie ein Stück Fleisch aus dem Kühlschrank. Ich war das Steak, Renzo Gehacktes, nach dieser Nacht. Ich musste Grinsen bei dem Gedanken.
    Ganz leise schälte ich mich aus Jeans und T-Shirt und kroch zurück zu Fabio, unter die Decke. Ich vermied es jedoch, ihn zu berühren, mich an ihn zu schmiegen, so gerne ich das in diesem Moment auch getan hätte, um seine Wärme zu tanken, aber ich hätte ihn garantiert geweckt, und dann, dann wäre es an mir gewesen, Fragen zu beantworten. Und darauf hatte ich nun wirklich keine Lust. Nicht auch das noch...
    ·
    Als das Brautpaar erschien, war es später Vormittag. Und es fand überraschenderweise eine beinahe gelöste Atmosphäre vor. Zum einen hatte sich die Katerstimmung weitestgehend gelegt, zum anderen wollte man den beiden das Gefühl vermitteln, das alles okay sei. Immerhin war es ja ihre Hochzeit. Immer noch...
    Vor allem aber hatte ein Anruf aus Busalla für Erleichterung gesorgt. Orlando hatte die Nacht

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