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Der Herzberuehrer

Der Herzberuehrer

Titel: Der Herzberuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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Renzo...?« Meine Finger wanderten seinen Hals entlang, strichen über die kleine Vertiefung unterhalb des Kehlkopfes.
    »Aber du willst es doch auch... oder...?« Seine Stimme kippte beinahe.
    Nach einem zaghaften Nicken umschlossen meine Lippen die seinen.
    In der Tat wollte ich ihn, in diesem Moment, nach nichts sehnte ich mich mehr... Suchend wanderten meine Hände über seinen Körper, und ich schmeckte das Blut, den Grappa, eine sinnliche Mischung, ich schmeckte Renzo, meinen Bruder, und er schmeckte vertraut. »Du zitterst ja...«, hauchte er mir irgendwann ins Ohr, während er dabei war, mich weiter auszuziehen. Ich schüttelte den Kopf, während ich es ihm gleich tat. »Mach einfach weiter...«
    Und dann, einen unwesentlichen Augenblick später, öffnete sich die Kapellentür zum zweiten Mal in dieser Nacht.
    ·
    Im Grunde hätten wir es ahnen können.
    Denn es gab nur einen Menschen in unserem Umfeld, der die Existenz eines Gotteshauses als tröstlichen Rückzugs-Ort empfand und diesen auch als solchen zu nutzen pflegte.
    Also war es bei Licht betrachtet gar nicht überraschend, dass es Valentina war, die mit gerader Haltung und einer, uns seit Kindertagen vertrauten Ernsthaftigkeit durch die Kapelle schritt, um in der ersten Reihe, vor dem Altar, im Dunklen Platz zu nehmen.
    Ich weiß nicht, wie wir es schafften, aber nach einer ersten, absolut grauenvollen
    Schockstarre rutschten wir beinahe lautlos die Wand hinunter, um uns, durch die Stühle verborgen, aus ihrem Blickwinkel zu stehlen.
    Der Boden war eiskalt und ich fast nackt, was die Situation nicht gerade entspannte. Aber irgendwie gelang es mir tatsächlich, meine Jeans auf die Hüften zu ziehen, ohne dabei ein Geräusch zu verursachen. So fror ich eben nur am Rücken.
    Und dann vernahmen wir beide gleichzeitig etwas, das uns in dem Moment, wo wir es hörten, zutiefst betroffen machte, uns berührte, aber auch zugleich verblüffte. Es war uns wirklich nicht klar gewesen, dass es diese Laute überhaupt geben konnte, in einer realen Welt. Nicht von ihr...
    Denn unsere Mutter hatte zu weinen begonnen.
    Tränen funktionieren bei mir immer auf dieselbe Weise - sie verursachen ein schlechtes Gewissen. Warum auch immer.
    Und das Weinen meiner todkranken Mutter mit anhören zu müssen, während ich, halb nackt, auf einem klammen Steinboden gerade eben noch darauf konzentriert gewesen war, mich ausschweifenden sexuellen Exzessen mit meinem eigenen Bruder hinzugeben und dies in jener Kapelle, in der meine Schwester noch vor wenigen Stunden den ehelichen Segen erhalten hatte, das gab schon eine Menge Stoff für ein schlechtes Gewissen.
    Irrsinnigerweise begann Lorenzo wieder damit, meinen Körper mit seinen Händen zu erforschen, lautlos zwar, aber absolut zielstrebig. Hätte ich mein Auge spontan in seiner Farbe wechseln können, so wäre es vom warmen Gold auf ein glühendes Rot übergesprungen. Renzo jedoch schien wohl davon auszugehen, dass mir genau das jetzt gefallen müsste und ignorierte meine vorsichtigen Versuche gegenzusteuern.
    Seine Adrenalinausschüttung durch den Zusammenstoß mit Tomaso hatte ich gründlich unterschätzt.
    Valentina schluchzte leise und rhythmisch, während sie Trost im Gebet suchte, theatralischeres hätte mich auch schwer überrascht.
    Und natürlich konnte ich mir auch denken, warum sie sich jetzt hier, um diese Zeit befand. So gut wie jeder im Haus hatte Tomasos Ausbruch und den Streit mit Renzo vermutlich mitbekommen. Die Familie trieb sie mal wieder in die Kirche...
    Meine linke Hand versuchte unterdessen entschieden zu verhindern, dass Renzos Kopf damit weiter machte, womit er unmittelbar vor Valentinas erscheinen, beschäftigt gewesen war, und ich begann mir panisch auszumalen, was wohl los wäre, wenn man uns jetzt, hier, in genau dieser Situation erwischen würde.
    »Spinnst du...«, hauchte ich ihm fassungslos zu, ohne zu begreifen, das es bisher das lauteste war, was an Geräusch von uns in den Raum drang.
    Als Reaktion warf er mir im Dunkeln nur ein verruchtes Lächeln zu und verschloss mir meine Lippen sanft mit seinen Fingern.
    Ich hatte nicht die geringste Chance.
    Jede Gegenwehr barg ein höheres Risiko in sich, als, es über mich ergehen zu lassen. Ich hasste ihn dafür, in diesem Moment. Wirklich. Und ich konzentrierte mich ganz auf meine Atmung. Dazu im Hintergrund das Schluchzen meiner Mutter, es war schon sehr speziell. Und so versuchte ich jeden darüber hinausgehenden Gedanken sofort zu eliminieren, bis

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