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Der Herzberuehrer

Der Herzberuehrer

Titel: Der Herzberuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jobst Mahrenholz
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neben der Kasse hinter der Bar gelagert wurde, die frisch beschriebene Schiefertafel, die in der Nähe des Eingangs angebracht war, um die tagesfrischen Gerichte anzupreisen, in Vaters linkslastiger Schrift, seit jeher, und dann... dann stellte ich mir meine, in sich ruhende, todernste Mutter darin vor, meinen starren, verhärmten Vater, einen völlig überforderten, von Launen getriebenen Tomaso, und - ja - Giade, die neben den anderen zwar den Charme eines geköpften Huhns versprühte, aber doch auch so etwas wie Lebendigkeit, Energie...
    Ein ganz anderes Zuhause, als das, was ich noch kannte.
    »Was hast du eigentlich mal vor, später?«, fragte ich sie unvermittelt, denn irgendwie war mir plötzlich völlig klar, dass Anna niemals der Familientradition folgen würde.
    Sie hob die Schultern und sah mich ratlos an.
    »Weiß ich noch nicht. Aber auf keinen Fall was mit Gastronomie!«
    Treffer.
    »Vielleicht was mit Kindern...«, erzählte sie weiter, und ich sah wie sie zu lächeln begann. »...Lehrerin oder so was. Das könnt ich mir vorstellen. Musiklehrerin...«
    »Ein schöner Beruf.«
    »Find ich auch. Aber das muss ich jetzt noch nicht entscheiden...« Sie lächelte fein. Einen Moment gingen wir schweigend nebeneinander her, beinahe im Gleichschritt, nur das Rascheln des Laubes unter uns.
    Und dann fragte sie, »Luca, bist du eigentlich glücklich hier?«
    Das überraschte mich, schon ganz einfach deshalb, weil ich selbst ja gerade intensiv darüber nachgedacht hatte.
    »Sehr glücklich...«, antwortete ich ehrlich.
    »Warst du zuhause unglücklich?«
    »Nein, war ich nicht. Es ging nur nicht mehr...«
    »Wegen Shiro?«
    Ich blieb stehen, blickte in ihre großen kaffeebraunen Augen und ich sah, dass es wichtig war, die richtige Antwort zu geben.
    »Nein, nicht wegen Shiro...« Für einen Moment musste ich lächeln, weil ich ihre Neugier mochte.
    »...Meinetwegen...«, antwortete ich und hoffte, dass sie es verstehen würde. »...Weil ich bin wie ich bin... darum...«
    »Ein guter Grund...«, sagte sie nur, und diese Reaktion verblüffte mich nun wirklich so sehr wie sie mir gefiel...
    ·
    Die restlichen Stunden verschwammen irgendwie.
    Was ich damit sagen will: ich kann mich eigentlich gar nicht mehr genau erinnern, was noch so alles passiert ist.
    Der Spaziergang mit Anna bildete den unbestrittenen Höhepunkt dieses Tages. Was folgte, war vermutlich belangloses Geplänkel, zum Zeitüberbrücken.
    Meine bleierne Müdigkeit ließ mich mittlerweile nur noch nicken oder mit dem Kopf schütteln. Ein gesprochenes 'Ja' oder 'Nein' war in meinem Leistungskatalog einfach nicht mehr vorhanden, von darüber hinausgehender Konversation ganz abgesehen. Das schaffte recht bald eine angenehme Distanz zwischen mir und Rebeccas Gästen, deren Geplapper einen melodischen Klangbrei um meine, nicht mehr rekonstruierbaren Gedanken schuf. Einzig das Geflöte Claudias stach manchmal als wahrnehmbare Spitze zwischen dem restlichen Gewirr hervor und ließ mich dann und wann leicht aufschrecken.
    Laut Programm war es der letzte gemeinsame Abend mit Rebecca, meinen Eltern und den Cabareses, was ich zunehmend fast noch anstrengender empfand als die ganze Hochzeit selbst.
    Also entschloss ich mich irgendwann dazu, nicht weiter daran teilzunehmen und mich zurückzuziehen. Es reichte einfach, und da die Planungen vorsahen, in Busalla essen zu gehen, entledigte mich dies auch weiterer Verpflichtungen küchentechnischer Art.
    Sonnenklar war, dass es zwischen Rebecca und mir noch eine Aussprache geben musste, aber das hatte Zeit bis nach der Hochzeitsreise.
    Also übernahm Fabio meinen Part. Fabio, der ausgeschlafen, charmant und nach wie vor an meiner Sippschaft interessiert war.
    Ich hatte mir eine Flasche Roten geschnappt, eine Packung starke Zigaretten, mein Bett erobert, mich dann noch für eine halbe Stunde mit wirren Gedanken geplagt, die aber irgendwann endlich in einen traumlosen Schlaf hinüber glitten.

13.

    »Wenn dich dein Weg nach Hause führen sollte - unsere Tür steht dir immer offen...«
    Es waren Antonios Abschiedsworte und irgendwie glaubte ich sogar, dass er meinte, was er da sagte. Aber das reichte mir nicht.
    Was fehlte waren Ehrlichkeit und Interesse. Die Küche hatte es geschafft, uns für einen kurzen Moment wieder Vater und Sohn werden zu lassen, so wie eigentlich schon immer. Darüber hinaus jedoch existierten keine Gemeinsamkeiten. Das hatte sich deutlich für mich gezeigt. Vor allem in seinem Verhalten Shiro

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