Der Herzensbrecher
Lächeln beschleunigte seinen Puls. Wie schaffte sie es nur, in einem züchtigen, langärmeligen, hochgeschlossenen dunkelblauen Nachmittagskleid so verführerisch auszusehen?
»Soll ich dir beim Umziehen helfen?« schlug er mit heiserer Stimme vor.
»Nein, besten Dank«, entgegnete sie und errötete. »Ich muss das Teegeschirr spülen und dann das Abendessen für Janna kochen.«
»Schade ...« Sloan strich eine Haarsträhne, die sich aus dem Knoten gelöst hatte, hinter ihr Ohr. »Eigentlich hatte ich gehofft, wir würden eine private Teeparty feiern, und ich könnte ausprobieren, wie Erdbeermarmelade auf deiner Haut schmeckt.«
Nun stieg das Blut noch heißer in ihre Wangen. Sie floh aus der Küche, und Sloan verspeiste geistesabwesend den Sauerteigfladen. Verdammt, dieses Lächeln hatte ihm fast den Atem genommen. Pass bloß auf, Cowboy, ermahnte er sich. Wenn sie deine potentiellen Wähler mit ihrer Schönheit und ihrem Charme betörte, war das völlig in Ordnung. Aber er durfte sein Herz nicht verlieren. Die eheliche Beziehung musste sich auch weiterhin auf sexuelle Freuden beschränken.
Aber der - zumeist positive - Einfluss, den Heather auf sein Leben ausübte, ließ sich nicht bestreiten. Ihre gesellschaftlichen Fähigkeit und ihr Talent, stets die richtigen Worte zu finden, förderten seine Wahlkampagne. Sie half ihm auch, die Rede zu entwerfen, die er nächste Woche anlässlich der Feier am 4. Juli halten wollte.
Zweifellos hatte er sie am Anfang falsch beurteilt. Sie war keineswegs die hilflose, anspruchsvolle Dame, für die er sie gehalten hatte. Statt Seide trug sie jetzt Kattun, und an ihren zarten weißen Händen zeigten sich kleine Schwielen. Vermisste sie ihr früheres Leben? Wenn sie unglücklich war, ließ sie sich nichts dergleichen anmerken. Die harte Arbeit schien sie ebensowenig zu stören wie gewisse Unannehmlichkeiten, die man in Colorado ertragen musste. Kein einziges Mal hatte sie sich über die winterliche Kälte und den Staub in der Sommerhitze beschwert. Auch das unfreundliche Verhalten ihres Ehemanns hatte sie stets klaglos hingenommen. Widerstrebend bewunderte er ihre innere Kraft.
Wann immer sie in seiner Nähe war, begehrte er sie, und wenn er sich von ihr getrennt hatte, verfolgte ihn die Erinnerung an den Geschmack ihrer Haut, den Duft ihres Haars. Nicht einmal Doe hatte ein so wildes, unstillbares Verlangen in ihm erregt. Allmählich ging ihm seine neue Frau unter die Haut, und er gestand sich verblüfft ein, wie dringend er sie brauchte - nicht nur für seine Tochter, nicht nur für den Wahlkampf.
Da Heather nie zuvor einen Saloon betreten hatte, folgte sie Caitlin in wachsender Nervosität zur Hintertür des Stirrup & Pick. Janna und das Baby Elizabeth waren im Gemischtwarenladen geblieben, von Sarah liebevoll betreut.
Im Saloon herrschte um diese Tageszeit nicht viel Betrieb. Sie gingen durch einen Korridor zur Bar. Glücklicherweise war der Raum, der nach Whiskey und Tabak roch, fast menschenleer. Ein goldgerahmter Spiegel schmückte die Wand hinter der Mahagonitheke. Unter der Treppe hing ein großes Ölgemälde, das eine halbnackte Frau zeigte. Mehrere zerkratzte Pokertische und Stühle standen vor einer Bühne mit roten Samtvorhängen und einem Klavier.
Zwischen Neugier und Abscheu hin und her gerissen, schaute Heather sich um. Infolge ihrer Herkunft und Erziehung hatte sie die Überzeugung gewonnen, Saloons wären Lasterhöhlen, wo die Männer spielten und sich betranken und die Frauen ihre Körper verkauften.
Als sie die Frau hinter der Theke entdeckte, kam ihr ein unangenehmer Gedanke. Hatte sie sich nicht auch an Sloan verkauft? Für eintausendfünfhundert Dollar?
Die Bardame mit dem hochgetürmten schwarzen Haar und dem stark geschminkten Gesicht trug ein grellrotes Kleid, dessen tiefer Ausschnitt fast die Hälfte ihrer Brüste entblößte. Lächelnd begrüßte sie Caitlin, und Heather überlegte, ob das die Frau sein mochte, die angeblich so gut mit Jake befreundet war. Sie ging mit ihrer Freundin zur Theke und wurde in die Duftwolke eines billigen Parfums gehüllt.
»Darf ich dir Della Perkins vorstellen, Heather?« begann Caitlin. »Della, das ist Heather McCord, Sloans neue Frau.«
»Klar, ich weiß, wer Sie sind, Mrs. McCord«, sagte Della etwas unsicher. »Ich habe Sie schon ein paarmal in der Stadt gesehen.«
»Freut mich, Sie kennenzulernen«, erwiderte Heather und nickte ihr ermutigend zu.
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