Der Herzog und seine geliebte Feindin
wirkte ebenso befremdlich.
Über ihren eigenen Ohnmachtsanfall zu lesen war entschieden merkwürdig. Es fühlte sich an, als betrachtete sie ihre eigenen Gefühle aus der Entfernung. Sie konnte noch die Leute um sie herum im Saal keuchen hören, aber jetzt begriff sie, dass es aus Überraschung gewesen war, dass darin keine Verurteilung lag. Sie konnte sehen, wie sie blass wurde, ohne dass ihre Haut klamm wurde oder ihr Atem gefährlich flach und rasch ging.
Es gestattete ihr auch, zu sehen, was danach geschehen war. Sie hatte das Bewusstsein verloren. Ein Mann in der Nähe hatte sie angespuckt – und gleich danach hatte die Dowagerduchess ihm ihren Schirm auf den Kopf geschlagen. Sie hatte alle angestarrt, die es wagten, ihr zu nahe zu kommen, und hatte sie auf Abstand gehalten.
Robert war über die Brüstung des Zeugenstandes und drei Bänke gesprungen – das musste eine Übertreibung sein – um sie zu erreichen.
Als der Herzog seine Gattin aus dem Gerichtssaal trug, geruhte er ein paar Fragen zu beantworten. Er bestätigte, dass er bei der Hochzeit gewusst hatte, wer seine Gemahlin war – eine Behauptung, die angesichts des Eintrags im Hochzeitsregister unangreifbar scheint, das den Namen der Braut als Minerva Lane auflistet. Seine Gnaden erklärte seine Wahl mit folgenden Worten: „Warum sollte ich eine gewöhnliche Frau heiraten, wenn ich auch eine außergewöhnliche bekommen kann?“
Minnie legte die Zeitung hin und schloss die Augen, in denen Tränen brannten. Sie konnte ihn das sagen hören – konnte sich bildlich vorstellen, wie er die Augen verdrehte, die Verärgerung, mit der er sie anschaute. Ihr Körper erinnerte sich vage daran, gehalten zu werden, auch wenn ihr Verstand das nicht tat.
Sie war sich nicht sicher, was irgendetwas davon bedeutete, aber sie war sich einer Sache sicher.
Er kam zurück.
Das las sie in der Zeitung. Der Artikel war nur ein paar Spalten lang. Eine dazugehörige Meldung verkündete, dass Captain Stevens nach der Verhandlung verhaftet und der Bestechlichkeit angeklagt worden sei. Minnie lächelte schwach. Gut.
Die Tür ging auf. Robert stand auf dem Flur, und umklammerte mit den Händen ein Buch. Er sah ihr in die Augen, und sein Blick war wachsam.
„Du musst mir verzeihen, wenn ich das hier heillos verpfusche“, erklärte er leise. „Aber ich habe das noch nie zuvor getan.“
„Was denn?“
Statt einer Antwort kam er ins Zimmer und legte das ledergebundene Buch auf die Kommode neben ihr.
Es war die Lesefibel, die sie ihm gestern gekauft hatte. „Ich …“ Er schaute auf das Buch, dann wieder zu ihr. „Ich habe entschieden, wofür diese Buchstaben stehen“, teilte er ihr mit. „Ich dachte, ich sage es dir.“
Sie benötigte einen Moment, um zu erkennen, dass er nervös war. Er schaute sie von der Seite an und schlug das Buch auf der ersten Seite auf.
„A“, sagte er, „steht für all die Arten, auf die ich dich liebe.“
Wieder brannten ihr die Tränen in den Augen. Sie blinzelte, war nicht gewillt, sich von ihnen die Sicht rauben zu lassen. Sie wollte ihn sehen, jedes Detail seines hellen zerzausten Haares erkennen, und wie er sich auf die Lippen biss.
Er schaute zur Seite. „Das ist dumm“, murmelte er und fasste nach der Ecke des Einbandes. Er hatte es fast schon wieder zugeschlagen, bevor Minnie erkannte, was er vorhatte und ihre Hand zwischen die offenen Seiten legte.
„Nein“, protestierte sie. „Das ist es nicht.“
Seine Hand schwebte über ihrer. Er schluckte.
„Es ist nichts Dummes dabei, wenn du mir sagst, dass du mich liebst. Niemals .“
„Oh“, sagte er leise. Er schien ein paar Augenblicke zu brauchen, um das zu verarbeiten, bevor er die Fibel wieder öffnete. „A ist für ‚All die Arten, auf die ich dich liebe‘. Es sind mehr als sechsundzwanzig, aber da wir nun einmal das Alphabet haben, werde ich mich darauf beschränken müssen. Wenigstens fürs Erste.“
Er blätterte zum leuchtend scharlachroten B um, wie man es in einem mittelalterlichen Manuskript finden könnte. Ein Baumstamm bildeten die eine Seite des Buchstabens, und eine Biene hockte auf dem oberen Bauch. „B steht für, bitte verzeih mir, wenn ich Fehler mache‘. Dass ich die mache, steht fest, was bestimmt keine Überraschung für dich ist.“ Er blickte sie an, schlug die Seite um. „C ist für das ‚Chaos, in das du mich stürzen kannst‘. Ich weiß nicht, wie das geht. Ich weiß nicht, wie das geht, ein Ehemann zu sein. Ich weiß nicht, wie
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