Der Herzog Von Köln
fühle, dass ich mich ihrer Rache nicht für immer entziehen kann, obwohl mir das bereits mehrmals gelungen ist. Ich kann jenen, die sich den Schergen König Huons verweigern wollen, nur raten, sie zu täuschen. Verwendet List, mein Freund. Es ist die einzige Waffe gegen das Dunkle Imperium.«
»Soll man etwa vortäuschen, ihnen zu dienen?« fragte Saleem nachdenklich.
»Ich habe es getan. Ich lebe und bin nun verhältnismäßig frei …«
»Ich werde mich Eurer Worte erinnern, Mann aus dem Westen.«
»Erinnert euch aller«, schärfte Falkenmond ihm ein. »Denn der schwerste Kompromiss ist der, wenn Ihr Euch entschließt, kompromissbereit zu scheinen. Die Täuschung wird oft Realität, ehe man es merkt.«
Saleem zupfte an seinem Bart. »Ich verstehe Euch.« Er sah sich im Schankraum um. Die flackernden Schatten der Fackeln erschienen ihm plötzlich bedrohlich. »Wie lange, frage ich mich, wird es noch dauern? So große Teile Europas haben sie schon genommen.«
»Habt Ihr etwas von der Provinz Kamarg gehört?« fragte Falkenmond.
»Die Kamarg. Ein Land gehörnter Werbestien, nicht wahr -und halbmenschlicher Monster mit gewaltigen Kräften, das es irgendwie geschafft hat, dem Dunklen Imperium zu widerstehen. Ein Riese aus Metall führt es an, der Graf Brass …«
Falkenmond lächelte. »Viel von dem, was Ihr gehört habt, ist Legende. Graf Brass ist aus Fleisch und Blut, und Monster gibt es in der Kamarg nicht mehr viele. Die einzigen gehörnten Tiere sind die Stiere der Marschen und die Pferde dort. Widersteht die Kamarg dem Dunklen Imperium noch? Wisst Ihr, wie es dem Grafen Brass geht, oder seinem Feldherrn von Villach – oder Graf Brass’ Tochter, Yisselda?«
»Ich hörte, dass Graf Brass tot sei, und sein Feldherr auch. Aber von einem Mädchen weiß ich nichts – und soviel ich weiß, steht die Kamarg noch.«
Falkenmond rieb am Schwarzen Juwel. »Eure Information ist mir nicht sicher genug. Ich kann nicht glauben, dass die Kamarg noch steht, wenn Graf Brass nicht mehr lebt. Wenn Graf Brass fällt, so fällt die Provinz mit ihm.«
»Ich habe nur Gerüchte gehört, die schon vielfach weitererzählt wurden«, sagte Saleem. »Wir Händler wissen über das, was in unserem Umkreis vor sich geht, bestens Bescheid, aber die Nachrichten aus dem Westen sind stets unklar und ungenau. Ihr kommt aus der Kamarg, nicht wahr?«
»Sie ist meine Wahlheimat«, bestätigte Falkenmond, »Wenn es sie noch gibt.«
Oladahn legte Falkenmond die Hand auf die Schulter. »Gebt nicht auf, Herzog Dorian. Ihr sagtet selbst, dass die Nachrichten des Händlers kaum den Tatsachen entsprechen können. Wartet, bis wir unserem Ziel näher sind, ehe Ihr alle Hoffnung verliert.«
Falkenmond versuchte seine düstere Stimmung abzuschütteln und rief nach Wein und gebratenem Hammelfleisch und heißem, ungesäuertem Brot. Und obwohl es ihm gelang, etwas fröhlicher dreinzusehen, quälten ihn die Sorgen um jene, die er liebte – waren sie wirklich tot, und war die wilde Schönheit der Kamarg ein verwüstetes Ödland?
6 Das Schiff des Wahnsinnigen Gottes
Sie reisten mit Saleem und seinen Kaufleuten nach Ankara und von dort zum Hafen von Zonguldak am Schwarzen Meer. Dank der Papiere, die ihnen Saleems Zunftmeister besorgt hatte, konnten sie eine Schiffspassage auf der Lächelnden Maid buchen, dem einzigen Schiff, das bereit war, auszulaufen, und Kurs auf Simferopol an der Küste des Landes Krim nahm. Die Lächelnde Maid war kein schönes Schiff, und auch kein heiteres. Der Kapitän und seine Mannschaft waren schmutzig, und die Unterdecks stanken entsetzlich. Trotzdem mussten sie für das Privileg, in diesem Zuber reisen zu dürfen, einen hohen Preis bezahlen, und ihr Quartier war nur wenig reinlicher als der Kielraum, über dem es angebracht war.
Kapitän Mouso mit seinem langen öligen Schnurrbart und dem unsteten Blick flößte ihnen kein großes Vertrauen ein, ebenso wenig wie die Flasche mit dem starken Wein, die der Maat ständig in seiner haarigen Pranke zu halten schien.
Falkenmond erwog die gute Seite eines solchen Schiffes, und meinte, dass ein solches Gefährt wohl kaum die Aufmerksamkeit von Piraten auf sich ziehen würde – und ebenso wenig die der Schiffe des Dunklen Imperiums … Kurz bevor es auslief, ging er mit Oladahn an Bord.
Mit der Flut am frühen Morgen lief die Lächelnde Maid mit schwerfälligem Manöver aus. Als der Wind sich in ihren geflickten Segeln fing, ächzte und krängte sie und nahm Kurs auf
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