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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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hatte noch mehr Fracht hierher ins unbewohnte Moor zu schleppen. Huttunen beobachtete den seltsamen Arbei­ ter durchs Fernglas. Das neue Gefäß glänzte und war kleiner als das vorige. Es war so schwer, daß der Mann damit nicht laufen konnte, aber er bewegte sich eiligen Schrittes auf den Puukkohügel und sein im Moor war­ tendes schwarzes Faß zu.
    Als der Mann näher kam, konnte Huttunen erkennen, daß er eine Milchkanne für zwanzig Liter schleppte. Sie war sicherlich voll, denn die Füße des Mannes hinterlie­ ßen tiefe Spuren im Boden. Als er sein erstes Gefäß erreichte, setzte er die Kanne ab, holte Luft und nahm gleich darauf wieder das schwarze Faß auf den Rücken. Huttunen tauschte das Fernglas gegen das Gewehr aus, entsicherte und wartete auf den Fortgang der Dinge. Allem Anschein nach strebte der Mann mit seinem Faß zu eben jenem Hügel, auf dem Huttunen saß und ihn beobachtete. Huttunen zog sich mit schußbereiter Waffe unter die Fichten zurück. Wie sollte er wissen, welche Absichten der seltsame Faßträger mit ihm hatte?
    Als der Mann auf den Hügel kam, erkannte Huttunen ihn plötzlich. Es war der Postbote des Stationsdorfes, Briefträger Piittisjärvi! Ein Bekannter für Huttunen wie für alle anderen Dorfbewohner. Ein sympathischer Kerl, allerdings ein elender Säufer, doch es geschieht ja nicht selten, daß sich ein guter Mann durch Schnaps rui­ niert… Huttunen freute sich unendlich, denn hier kam einer, der mit seinem Gepäck garantiert nicht im Auftrag von Kommissar Jaatila unterwegs war. Piittisjärvi war um die Fünfzig, ein kleiner, lustiger Kerl, schon vor dem Krieg verwitwet, er lebte kümmerlich vom schmalen Gehalt eines Postboten und hatte nie Geld, um so öfter aber Schnaps. Häufig verteilte er betrunken die Briefe oder trug die Postpakete jämmerlich verkatert aus. Nüchtern war er still und sanft, aber wenn er getrunken hatte, bekam so mancher der Mächtigen des Sprengels etwas von ihm zu hören. Dann spornte der Schnaps Piittisjärvi an, die Wahrheit über die Menschen zu ver­ künden, denen das Leben mehr gegeben hatte als ihm.
    Schwer keuchend erklomm Piittisjärvi den Hügel. Er setzte das rußige Faß ab und legte einige Rohrstücke daneben. Er dampfte vom Schweiß wie ein gejagtes Pferd, seine Hände zitterten von der schweren Anstren­ gung. Er wirkte mitgenommen, der Schweiß rann ihm über das gefurchte Gesicht. Er wischte sich mit seinem schmutzigen Ärmel darüber und preßte für einen Au­ genblick die Hand auf die Herzgegend. Ein dichter Mük­ kenschwarm hatte ihn aus dem heißen Moor begleitet. Vor Müdigkeit fand er nicht die Kraft, die Blutsauger von seinem Gesicht zu verscheuchen. Er machte kehrt und ging noch einmal ins Moor zurück, um die dort verbliebene Milchkanne zu holen.
    Als Piittisjärvi sämtliche Gerätschaften auf den Hügel geschleppt hatte, beruhigte er sich endlich, setzte sich auf den Deckel der Milchkanne und hielt eine Rauch­ pause. Er war so erschöpft, daß die Zigarette erst beim dritten Versuch brannte, die Streichhölzer erloschen in seinen zitternden Fingern.
    »Verflucht noch mal…«
    Er war todmüde und verdrossen, und das wunderte Huttunen gar nicht. Solche Lasten von Gott weiß woher übers Moor zu schleppen, das konnte selbst einem braven Mann die Stimmung verderben. Huttunen trat mit dem Gewehr in der Hand zwischen den Fichten hervor.
    »Grüß dich, Piittisjärvi.«
    Der Postillon erschrak zunächst so sehr, daß seine Zigarette ins Moos fiel. Doch als er Huttunen erkannte, verflog sein Schreck, und ein müdes Lächeln erhellte das zerknitterte Gesicht des kleinen Mannes.
    »Mensch, Kunnari! Du bist ja auch hier!« Piittisjärvi hob seine Zigarette auf und hielt Huttunen
    die volle Schachtel hin. Der Einsiedler fragte, was den Postboten hier auf den Puukkohügel führe und was für verdammte Gefäße er durch die Wildnis schleppe.
    »Kennst du keine Schnapsbrennerei?« Piittisjärvi erzählte, daß er sich am Hang des Reutu­
    berges an seinem angestammten Platz eine Schnaps­ brennerei errichtet hatte. Die Maische war schon gego­ ren. Heute wollte er destillieren. Doch schon am frühen Morgen war es unruhig geworden im Wald. Männer mit geschulterten Büchsen waren durchs Gelände gelaufen. Hunde hatten gebellt, und man hatte nach Huttunen gerufen. Warnschüsse waren abgefeuert worden, daß die ganze Gegend widerhallte.
    »Du verstehst, daß ich mich auf die Socken gemacht hab’. Ich mußte die Brennerei

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