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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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wegschaffen. Den ganzen Tag hab’ ich das Zeug durch die Wälder geschleppt, zuerst bin ich zum Kemifluß und dann mit dem Boot rüber, dabei wäre mir das verfluchte Boot in der Eile beinah umgekippt. Und anschließend hierher, ein einzi­ ges verdammtes Gerenne, den ganzen Tag. Da drüben auf der Ostseite hat man keine Ruhe mehr, das sage ich dir. Ich hab’ in meinem ganzen Leben noch nie so hetzen müssen.«
    Piittisjärvi nahm einen tiefen Zug von der Zigarette. Er sah auf seine Maischekanne, den Schnapskessel und die Rohrleitungen und lächelte glücklich.
    »Aber ich hab’ alles vor den Klauen der verdammten Kläffer gerettet! Im Krieg, während der Rückzugsphase, war ich mal in einer ähnlichen Situation. Mit einem Maschinengewehr blieben ein paar Kameraden und ich als letzte auf der Karelischen Landenge zurück. Als dann der Aufbruch kam, hatten wir verdammt zu schleppen, mitten im Kugelhagel. Aber das mit der Schnapsbrennerei heute war noch schlimmer. Jetzt mußte ich schon zum zweiten Mal den ganzen Tag vor Kerlen mit Schießeisen weglaufen.«
    Huttunen sagte, es tue ihm leid, er habe wirklich nicht gewollt, daß sich der Postbote seinetwegen so furchtbar plagen mußte. Doch der freundliche kleine Mann winkte großzügig ab:
    »Mach dir mal keine Sorgen, Kunnari! Du kannst nichts dafür, der Kommissar hat ja den ganzen Zirkus veranstaltet. Kannst dir ruhig noch eine Zigarette neh­ men!«
    28
    Noch in derselben Nacht bauten sie zusammen die Geräte im Gebüsch am Puukkobach auf. Piittisjärvi gierte danach, sofort mit dem Brennen zu beginnen, denn die Maische war reif und sein Mund ausgedörrt. Doch die Nacht war still und klar, aufsteigender Rauch hätte den Standort der Brennerei verraten. Erst am Morgen, als ein leichter Wind aufkam, entfachten sie aus trockenem Holz ein gleichmäßiges Feuer unter dem Kessel und gossen die kräftig riechende Maische hinein. Huttunen holte mit der Kanne Kühlwasser aus dem Fluß. Sowie der verdampfende Alkohol in das Rohr eindrang, kondensierte er zu Schnaps und tropfte in das daruntergestellte Gefäß.
    Piittisjärvi nahm einen Probeschluck von der einmal destillierten Flüssigkeit, verzog glücklich das Gesicht und reichte die Kelle an Huttunen weiter. Der verzichte­ te jedoch und sagte, er fröne neuerdings der Abstinenz.
    »Du bist verrückt, daß du Branntwein verschmähst«, meinte der zechende Postillon. Doch nach kurzem Nachdenken erkannte er die Vorteile der Abstinenz seines Kameraden und drängte ihn nicht weiter.
    »Dann reicht es länger für mich.«
    Huttunen wollte am Flußufer Fliegen auswerfen. Be­ vor er ging, holte er für den schnapskochenden Postbo­ ten noch eine Kanne frisches Kühlwasser.
    Als er mit ein paar Grauforellen zurückkehrte, fand er Piittisjärvi schon ziemlich angesäuselt vor. Der Postillon schlug vor, Huttunen als der Nüchterne solle die Ver­ antwortung für das Brennen übernehmen, damit ihm selbst Zeit zum eigentlichen Trinken bleibe.
    Zunächst jedoch röstete Huttunen die Fische im lodernden Feuer unter dem Schnapskessel. Piittisjärvi hatte Salz und Brot sowie ein Stückchen gesalzenen Speck dabei. Sie aßen das rote, siedend heiße Fleisch der Forellen mit den Fingern, streuten Salz drauf und bissen vom Brot ab. Huttunen bekannte, er habe seit langem nicht mehr richtig gegessen, nämlich seit man ihm sein Lager am Reutumoor zerstört habe. Piittisjärvi seinerseits hatte zuletzt vor zwei Tagen eine Mahlzeit zu sich genommen, als er auf dem Postamt gewesen war, um die Zeitungen und Briefe zu holen. Überhaupt kam er im Sommer kaum zum Essen, da er fortwährend Post austragen oder Schnaps brennen mußte.
    »Im Winter klappt es besser, da habe ich nicht diese Hetze. Ich mache mir dann fast jeden Tag was zurecht, auch wenn ich ein alleinstehender Mann bin.«
    Piittisjärvi schlug Huttunen eine lohnende Zusam­ menarbeit vor: Der eine solle die Brennerei in Betrieb halten, während der andere das Amt des Postboten ausübe. Er selbst mußte an drei Tagen in der Woche die Briefe im Stationsdorf und in zwei Nachbardörfern aus­ tragen. Dazwischen kam er nicht recht zum Brennen, denn er brauchte ja auch Zeit zum Trinken. Als Gegen­ leistung wollte er für Huttunen sämtliche Postangele­ genheiten besorgen. Huttunen fragte verwundert, welche Post er hier draußen wohl bekommen sollte.
    »Na, wir bestellen dir die Nordnachrichten ! Du kriegst deinen eigenen Briefkasten im Wald hinter dem Stati­ onsdorf. Ich trag’ dir dann

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