Der heulende Müller
die Zeitungen und Briefe hin, genau wie allen anderen Bürgern. Und du kannst auch selber Briefe an Leute schreiben, ich befördere sie. Schreib doch an die neue Klubberaterin, es heißt, sie hat ‘ne Menge für dich übrig.«
Huttunen überlegte sich die Sache. An Sanelma müß te er tatsächlich schreiben, es war eine gute Idee. Und Zeitungen hatte er nicht mehr gelesen, seit man ihn im Frühjahr in die Nervenklinik gebracht hatte.
Die Männer einigten sich über die Zusammenarbeit. Sie beratschlagten, für welchen Zeitraum die Nordnach richten zu bestellen seien. Ein Jahresabonnement wäre wahrscheinlich Geldverschwendung, fanden sie, denn dafür sei das Leben des Einsiedlers derzeit zu unbe ständig. Huttunen bezahlte dem Postboten also ein Vierteljahresabonnement, und dieser versprach, die Zeitung zu bringen, sobald er wieder seine Tour mache.
Huttunen wollte gleich ein paar Zeilen an Sanelma Käyrämö schreiben. Die Bankquittung in seiner Geld börse konnte als Briefbogen dienen, doch besaß er keinen Stift. So mußte er den Text schließlich mit einem rußigen Holzspan auf das Papier kritzeln.
Anschließend breitete er Evinens Karten vor seinem Kameraden aus. Gemeinsam vereinbarten sie, wo Hut tunen ein festeres Lager bauen und wohin er auch die Schnapsbrennerei verlegen würde. Sie einigten sich auf einen kleinen Landrücken, etwa drei Kilometer vom Oberlauf des Puukkobaches entfernt. Hinter dem Land rücken breiteten sich Sümpfe aus, und in der Talsenke floß der Bach. Huttunen hatte den Platz morgens beim Angeln entdeckt. Er hielt ihn für sicherer als diesen Hügel, auf dem sie jetzt Schnaps brannten.
Ferner suchten sie die genaue Stelle aus, wo Piittis järvi den Briefkasten anbringen würde. Dreimal in der Woche könnte Huttunen dort seine Post abholen. An Sonntagen und manchmal auch in der Woche käme Piittisjärvi ins Lager, um zu saufen.
»Am Sonntag bring’ ich die Post gleich mit, du brauchst wegen der Wochenendzeitung nicht extra zum Kasten zu laufen.«
Huttunen bat den Postboten, ihm etwas Salz, Zucker, Kaffee und geräucherten Speck zu besorgen. Und natür lich Zigaretten. Er übergab dem kleinen Mann die ent sprechende Geldsumme.
Nach dem Essen mußte Piittisjärvi ins Dorf, denn es war wieder Postverteilungstag. Er spülte im Bach sein rußiges Gesicht und gurgelte, um den schlimmsten Branntweingeruch zu beseitigen. Bevor er aufbrach, gab er Huttunen Ratschläge für den Fall, daß sich die Mai sche im Faß zu sehr erhitzen oder der Branntweinfluß aus irgendeinem Grund stocken sollte.
»Am schlimmsten ist es, wenn du die Maische an brennen läßt. Mir ist es im Sommer 1939 mal passiert. Im Herbst davor war mir die Frau gestorben, und ich war am Grübeln, wie ich am besten die Zeit verbringe. Na ja, die Maische brannte an. Ich hab’ tagelang das Faß schrubben müssen, ehe es wieder anständig aus sah. Die Kumpels, die von dem angebrannten Schnaps getrunken haben, wurden krank, und einer wäre beinah gestorben. Als dann nachher der Winterkrieg ausbrach, ist derselbe Bursche gleich in der ersten Woche gefallen, was sagt man dazu.«
Piittisjärvi überließ Huttunen die Brennerei zu treuen Händen und machte sich auf den Weg. Leichten Schrit tes überquerte er das weite Moor, marschierte fröhlich pfeifend durch die Wälder und direkt in die Post, wo er als erstes Huttunens Zeitungsbestellung erledigte. Si cherheitshalber ließ er das Abonnement auf seinen eigenen Namen laufen.
Als die Briefe abends verteilt waren, holte er aus sei ner Wohnung eine Säge, einen Hammer, Nägel sowie ein paar kurze Bretter und ein Stück Teerpappe. Er verstau te das Zubehör in den Posttaschen und radelte am Stationsdorf vorbei in unbewohnte Waldgegenden. Hier stellte er das Fahrrad ab und ging zu Fuß bis zu der Stelle weiter, die er mit Huttunen als Standort für den Briefkasten vereinbart hatte. Er wählte eine starke Föhre passender Größe aus und machte sich ans Werk.
Dem geübten Postmann ging die Arbeit flott von der Hand. Piittisjärvi zimmerte aus ein paar Latten ein Gestell, paßte die Bretter ein, nagelte den Kasten an den Baum und schnitt mit dem Messer ein Stück Teerpappe zurecht, das als Regendach dienen sollte.
»Falls die Nordnachrichten naß werden, ist das kein großer Schaden, aber bei Wertsendungen muß man aufpassen.«
Aus zwei Lederstückchen, die er von seinem Gürtel abtrennte, gewann er das Scharnier für den Deckel. Der Gürtel hätte
Weitere Kostenlose Bücher