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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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auch noch mehr Scharnierbedarf hergege­ ben. Traurig dachte Piittisjärvi daran, daß er den Gürtel einst auf seiner Verlobungsfahrt in Kemi gekauft hatte. Damals war er noch ein kräftiger Mann gewesen. Als ihm dann die Frau gestorben war, hatte er nach und nach neue Löcher in den Gürtel stechen müssen.
    »Die Hilda hat bei Lebzeiten gut für mich gesorgt«, sprach er in Erinnerung an seine Frau vor sich hin. Ein Kloß stieg dem abgemagerten Mann in die Kehle.
    Bis auf den Anstrich war der Briefkasten jetzt fertig. Piittisjärvi überlegte, ob es wohl klug sei, ihn mit der gelben Farbe zu versehen, die das Postgesetz vorschrieb. Im Sommer mochte es vielleicht noch angehen, doch im Winter könnte das leuchtende Gelb den Standort des Kastens verraten. Piittisjärvi beschloß, auf den Anstrich zu verzichten, obwohl es ihn stets mit Widerwillen erfüll­ te, Post in graue und ungepflegte Kästen zu werfen. Als er einmal leicht benebelt zu Siponens jämmerlichem Kasten gekommen war, hatte er den Bauern getadelt:
    »Du als großer Bauer kannst dir wohl mal ein bißchen Farbe leisten. Es ist ja, als ob man die Zeitung in einen Nistkasten schmeißt! Na egal, die Hauspostille für deine Alte kann meinetwegen sonstwo liegen.«
    Ein Posthorn ritzte er aber doch vorn in den Kasten und darunter den Namen des Besitzers: »Kunnari Hut­ tunen«. Zum Schluß warf er ein mitgebrachtes Exemplar der Nordnachrichten ein, gewissermaßen als Probelauf. Jetzt kann Kunnari kommen und seine Post holen, dachte er zufrieden.
    29
    Wieder einmal mußte sich der Einsiedler ein neues Lager errichten. Er schleppte seine gesamte Ausrüstung sowie Piittisjärvis Schnapsfabrik zu dem flachen, sandi­ gen Landrücken am Puukkobach. Den Ort taufte er »Lagerhügel«. Zuerst baute er sich einen Unterstand, und erst dann stellte er die Schnapsgeräte des Postbo­ ten auf. Er grub in den flechtenbewachsenen Hang einen Erdofen und in einiger Entfernung davon eine Kellerhöhle, in der er seine Ausrüstung unterbrachte: den Rucksack, die Angelgeräte und das Gewehr. Dann machte er sich daran, Schnaps zu brennen.
    Beim ersten Mal sammelten sich in der Kanne etwa zehn Liter stinkender Fusel. Wenn er die Flüssigkeit ein zweites Mal destillierte, schätzte Huttunen, ergäbe das noch sieben Liter. Er wußte, Piittisjärvi selbst würde sich nicht die Mühe einer weiteren Veredelung machen und den Schnaps so trinken, wie er war. Doch jetzt hatte ein abstinenter und zielstrebiger Mann die Sache in der Hand. Huttunen kochte den Schnaps ein zweites Mal. Er gewann gut sechs Liter klaren Alkohol, durch­ sichtig wie herbstliches Eis und stark wie Ervinens Spiritus. Er probierte einen Schluck, der Alkohol brann­ te am Gaumen, und Huttunen spuckte ihn angewidert aus.
    »Lieber nicht saufen, sonst dreh’ ich wieder durch.« Er steckte die Branntweinkanne in ein Sumpfloch,
    baute die Geräte ab und versteckte sie zwischen den Bäumen. Dann schulterte er den Stutzen, nahm das Angelzeug und machte sich auf, seine Proviantvorräte zu ergänzen. Mit Hilfe des Kompasses schlug er den Weg nach Nordwesten ein, in jene Ödwälder, in denen er im vergangenen Winter mit Wachtmeister Portimo Vögel geschossen hatte. An diesen Jagdausflug dachte er gern zurück. Sie hatten reiche Beute gemacht, und das ohne Hund. Portimo hatte seinen fahlgrauen Rüden zu Hause gelassen, da er eher ein Bärenhund war und sich nicht recht darauf verstand, Vögel aufzuscheuchen. Huttunen dachte, wenn der diesjährige Sommer so gelaufen wäre wie sonst, dann würde er jetzt nicht allein hier mar­ schieren, sondern hätte Wachtmeister Portimo als Jagd­ gefährten an seiner Seite. Nun hatte der Polizist anderes zu tun, und zwar mehr als genug.
    »Portimo verpaßt die schönste Sommerzeit, während er hinter mir her ist. Muß schlimm sein, wenn einer gezwungen ist, seinen Kameraden zu jagen.«
    Huttunen hatte das richtige Gebiet ausgewählt. Er erbeutete mehrere Vögel und auf dem Rückweg oben am Fluß etliche Kilo Fisch. Bevor er ins Lager heimkehrte, pflückte er sich noch eine Schale Heidelbeeren.
    Das Leben war friedlich, aber einsam. Auf Nahrungs­ suche brauchte Huttunen vorerst nicht zu gehen, die Vögel hingen ausgenommen an den Bäumen, der Fisch lag gesalzen in Zubern aus Birkenrinde, die in einem eiskalten Sumpfloch steckten. Er beschloß, zum Zeitver­ treib nach Post zu sehen. Ob Piittisjärvi an die Zei­ tungsbestellung gedacht hatte?
    Der Briefkasten fand sich am vereinbarten Platz

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