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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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im Wald in der Nähe des Stationsdorfes. Huttunen umrun­ dete zunächst das Gelände, um sich zu vergewissern, daß niemand im Hinterhalt lauerte und keine Überrum­ pelung drohte. Doch da der Wald öde und still blieb, wagte er sich an seinen Briefkasten. Daran stand sein Name!
    Heiße Freude durchflutete den einsamen Mann: er hatte jetzt einen Berührungspunkt mit der Welt, diesen farblosen, groben Kasten am Stamm einer Föhre. Piittis­ järvi hatte sein Versprechen gehalten.
    Aber war auch Post für ihn darin? Der Einsiedler hat-te Angst nachzusehen. Wenn er den Kasten leer fände, wäre die Enttäuschung in dieser Einsamkeit bitter.
    Als er den Kasten schließlich öffnete, war er über­ rascht. Drinnen lagen zwei Zeitungen und ein dicker Brief, der in weiblicher Handschrift an ihn adressiert war. Huttunen kannte die Schrift – die Klubberaterin Sanelma Käyrämö hatte ihm geschrieben.
    Er zog sich ein paar hundert Meter in ein dichtes Fichtengehölz zurück, wo er den Brief öffnete. Es war ein schöner Liebesbrief. Huttunen las ihn, und sein Gesicht glühte vor Glück; in seinem Kopf rauschte es heftig, die Zeilen verschwammen ihm vor den tränen­ nassen Augen, seine Hand zitterte, das Herz hämmerte. Er hätte am liebsten vor lauter Freude und Glück ein lautes Geheul angestimmt.
    Bei dem Schreiben lag ein kleines gedrucktes Heft, das die Aufschrift trug:
    Fernakademie der Volksbildungsgesellschaft Kaufmännische Abteilung
    Sanelma Käyrämö hatte ihrem Brief die Broschüre einer Fernakademie beigefügt und bat den lieben Emp­ fänger, diese »nicht wegzuwerfen, sondern sich damit vertraut zu machen und den Entschluß zu fassen, ein Fernstudium aufzunehmen«. Er habe jetzt genug Zeit, und ein Mensch dürfe niemals im Leben stehenbleiben, sondern müsse stets, auch inmitten von Schwierigkei­ ten, an sich arbeiten. Nur so könne ein jeder Finne Glück und Erfolg erzielen, was sich letztlich zum Wohl des ganzen Heimatlandes auswirke.
    Huttunen rannte in sein Lager und traf dort bereits nach anderthalb Stunden ein, obwohl die moorige Wegstrecke mehr als zehn Kilometer lang war. Er warf sich auf seine Streu im Unterstand und las Sanelma Käyrämös Liebesbrief noch einmal. Er las ihn viele Male, bis er den Inhalt auswendig konnte. Erst dann hatte er Ruhe, in die Zeitungen zu sehen.
    Darin standen Nachrichten vom Koreakrieg. Fern in Asiens Sümpfen wurde ein komplizierter Krieg geführt, aus dem im Lauf des Sommers anscheinend ein Stel­ lungskrieg geworden war. Huttunen erinnerte sich, daß im vergangenen Winter mal die Amerikaner, mal die Koreaner oder die Chinesen die Oberhand gehabt hat­ ten. Jetzt hatte sich die Front auf dem 38. Breitengrad stabilisiert, und die Sowjetunion empfahl Waffenstill­ standsverhandlungen. Die Zeitung brachte ein Foto von einem Militärjeep voller Offiziere, im Hintergrund sah man Artillerie und hohe Berge. Der Unterschrift zufolge patrouillierten die UNO-Truppen ständig auf den Ver­ sorgungswegen, um Hinterhalte zu vermeiden. Über dem Kotflügel des Jeeps wehte allerdings die USA-Flagge. Huttunen wünschte sich, die Kriegsparteien würden ihren Konflikt beenden. Sowie es Frieden gäbe, würde in Finnland der Holzpreis in den Keller stürzen. Das wie­ derum würde bedeuten, daß sich die Großbauern, spezi­ ell Siponen und Viittavaara, nicht mehr am Blut der Koreaner bereichern könnten.
    Es gab erste kleine Nachrichten von den Olympischen Spielen. Wie es schien, sollten sie im kommenden Som­ mer in Helsinki stattfinden. Huttunen war seinerzeit mit dem Espenstab 3,90 Meter hoch gesprungen und hatte daran gedacht, sich für die Wettkämpfe zu melden. Aber dann war der Winterkrieg ausgebrochen, und man hatte die Olympiade in Helsinki wegen der Kämpfe absagen müssen. Jetzt hatte Huttunen keinerlei Möglichkeit mehr, bei den Spielen dabeizusein, obwohl der Krieg vorbei war. Sowie er aus dem Wald käme, würde man ihn festnehmen. Die Zeitung schrieb, daß die Sowjets beabsichtigten, zum ersten Mal an Olympischen Spielen teilzunehmen. Warum nicht, dachte Huttunen, die haben bestimmt starke Hammerwerfer. Jedenfalls hat-ten sie die Handgranaten am Syväri ganz schön weit geschmissen, wie er sich erinnerte.
    »Im Marathon holen sie vielleicht Medaillen, aber im Radsport ist ein finnischer Jäger schneller. Falls es bei der Olympiade überhaupt Radrennen gibt.«
    Nachdem er die Zeitungen gelesen hatte, studierte er die Broschüre der Fernakademie. Auf vielfältige Weise

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